Rumänien: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

2019 waren in Rumänien 93 Hochschuleinrichtungen akkreditiert, mit insgesamt 554 Fakultäten. Davon sind 55 Einrichtungen staatlich finanziert, die restlichen 38 sind privat. Akkreditiert sind alle Hochschulen mit staatlicher Träger-schaft und 38 private Hochschuleinrichtungen. Der Akkreditierungsausschuss des Ministeriums (ARA-CIS) ist für die Akkreditierung aller Hochschulen verantwortlich.

Im Studienjahr 2018/2019 waren in Rumänien 538.871 Studierende immatrikuliert (gegenüber dem Vorjahr ist damit eine leichte Steigerung um 1,35 Prozent zu verzeichnen). Davon waren rund 75,7 Prozent in BA-Programmen, 20,5 Prozent in MA-Programmen und 3,6 Prozent in Promotions-studiengängen eingeschrieben. 67.495 Studierende (rund 12,5 Prozent der Gesamtzahl) waren an privaten Hochschul-einrichtungen eingeschrieben (mehr als die Hälfte in Buka-rest).

Der größte Hochschulstandort ist Bukarest, mit 32 Hochschuleinrichtungen und 176.199 immatrikulierten Stu-dierenden, gefolgt von Cluj-Napoca (Klausenburg), mit zehn Hochschuleinrichtungen und 68.391 immatrikulierten Studie-renden. Die Universität mit der höchsten Anzahl Studierender ist die Babeş-Bolyai-Universität (BBU) in Cluj-Napoca.

Wie in fast allen Ländern Osteuropas sind „Volluniversitäten“, die alle Fächer anbieten, nicht verbreitet. Die meisten Hoch-schulen sind auf bestimmte Fachbereiche spezialisiert.

Folgende Hochschultypen können unterschieden werden:

  • Klassische Universitäten (überwiegend geistes- und naturwissenschaftliche Fächer),
  • Technische Universitäten (mit Ingenieurwissenschaften und Informatik),
  • Medizinisch-pharmazeutische Universitäten,
  • Agrarwissenschaftlich-veterinärmedizinische Universitäten,
  • Architektur-, Kunst-, Film- und Musikakademien,
  • sowie Akademien für Polizei und Militär.

An den großen Hochschulstandorten Bucureşti (Bukarest), Cluj-Napoca (Klausenburg), Iaşi (Jassy) und Timişoara (Temeswar) sind in der Regel alle Hochschultypen vertreten. Das Gros der privaten Hochschulen bietet nur einige Studiengänge in ausgewählten Fachbereichen wie zum Beispiel den Sozial- und Geisteswissenschaften, Jura, Wirtschaft oder Fremdsprachen an. Mit dem Hochschuljahr 2005/2006 wurde ein dreistufiges Bildungssystem nach den Vorgaben des Bolognaprozesses eingeführt. Das Studium ist seitdem in die Phasen Bachelor, Master und Doktorat untergliedert. Die Umsetzung des Bolognaprozesses in Rumänien wird zentral von der Regierung gesteuert und alle Studiengänge wurden zeitgleich auf die neue Struktur umgestellt. Als Ausnahme dauert das Studium der Medizin weiterhin sechs Jahre; dies wird aber als Äquivalent für BA + MA angesehen und entspricht 240 ECTS.

Die Hochschulen verfügen über weitgehende Autonomie und regeln den Zugang zum Studium selbst. Grundvoraussetzung für ein Hochschulstudium ist das erfolgreich bestandene Abitur (Examen de Bacalaureat). Hierbei wird kein Unterschied gemacht, an welcher Schulform das Abitur abgelegt wurde. Eine zentralstaatliche Regulierung findet nur insoweit statt, als dass das Ministerium den Hochschulen eine bestimmte Anzahl von gebührenfreien Studienplätzen zuweist sowie bei der Akkreditierung die maximale Anzahl der Studienplätze in einem Fach festlegt. Derzeit führen die Hochschulen vereinzelt Aufnahmeprüfungen durch, vor allem in den Fachbereichen Medizin, Pharmazie, Zahnmedizin, Wirtschaftswissenschaften, Jura und Fremdsprachen. Für diejenigen, die den ersten Platz bei einer Olympiade (auf der nationalen Ebene) bekommen haben, gilt eine besondere Regel – sie dürfen die Universität und das Studienprogramm frei wählen und bekommen einen gebührenfreien Platz, ohne eine sonst gültige Aufnahmeprüfung ablegen zu müssen. Insgesamt herrscht kein Studienplatzmangel, so dass jeder Abiturient grundsätzlich in Rumänien studieren kann, wenn auch nicht immer in der gewünschten Fachrichtung beziehungsweise am gewünschten Hochschulstandort.

Wie in vielen anderen osteuropäischen Ländern fehlt in Rumänien ein leistungsfähiges Berufsausbildungssystem, so dass der Universitätsbesuch als logischer weiterer Schritt nach dem Abitur gesehen wird. Zahlreiche Graduierte arbeiten daher anschließend in Bereichen, in denen de facto kein Hochschulabschluss notwendig wäre. Insgesamt liegt die Beschäftigungsquote von Hochschulabsolventen bei 87,4 Prozent (bezogen auf das Referenzjahr 2017).

Dennoch ist die Immatrikulationsquote rückläufig. Dieser Entwicklung liegen zwei Hauptfaktoren zu Grunde. Zum einen ist die demographische Entwicklung zu nennen. Nachdem sich der starke Geburtenrückgang seit 1990 zunächst im Schulbereich niederschlug, kommen die geburtenschwachen Jahrgänge nun in den Hochschulen an. Zum anderen wurde seit 2011 die Überwachung bei der zentralen Abiturprüfung und -bewertung verschärft, was zu einer erstaunlich geringen Erfolgsquote führt. So bestanden im Sommer 2016 lediglich 68,1 Prozent der Schüler der Klasse 12 das Abitur; dies ist eine leichte Verbesserung der Quote im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Trend setzte sich im Jahre 2017 fort, es bestanden 72,9 Prozent der Schüler/innen, im Jahre 2018 72,7 Prozent und im Jahre 2019 75,5 Prozent.

Es ist anzumerken, dass die Schulen mit deutscher Unterrichtssprache und die Schulen, die das Deutsche Sprachdiplom (DSD) anbieten, von dieser Entwicklung nicht im gleichen Maße betroffen sind. Hier bestehen in aller Regel mehr als 80 Prozent der Schüler das Zentralabitur, was für die Qualität dieser Einrichtungen spricht. Der Einbruch der Studierendenzahlen bedeutet für die Hochschulen fehlende Einnahmen, da die gebührenpflichtigen Studienplätze (circa 70 Prozent aller angebotenen Studienplätze) derzeit nur teilweise besetzt werden können. Nach neuesten Nachrichten gibt es zudem interessante Zahlen für 2018-19.

Das Bildungsministerium hat beschlossen, die Zahl der Studienplätze (staatlich gefördert) zu erhöhen, und zwar:

  • 1.201 Plätze mehr für BA-Studiengänge
  • 373 für Master-Studiengänge
  • 36 für PhD-Programme
  • 1.000 Plätze für die Facharztausbildung („Rezidentiat“)

Es werden aber erstmalig Studienplätze prioritär vergeben, zum Beispiel an Bewerber aus ländlichen Regionen oder an Studiengänge in strategischen Fachrichtungen (gemäß der Regierungsstrategie für Entwicklung, Forschung und Innovation 2014 - 2020). Eine Konsequenz ist, dass einige der größten und traditionsreichsten Universitäten des Landes (zum Beispiel die Universität Bukarest, die UBB Cluj-Napoca oder die Universität Iaşi) bei der (vorläufigen) Verteilung weniger Studienplätze als im Vorjahr erhalten haben.

Der Staat finanziert circa 30 Prozent der Studienplätze. Diese werden nach dem Leistungsprinzip vergeben. Studierende, die nicht zur Leistungsspitze zählen, müssen auch an den staatlichen Hochschulen Studiengebühren (je nach Fach zwischen 600 bis 1.000 Euro pro Jahr, Ausnahme Human- , Zahnmedizin und Pharmazie mit 1.800 Euro und Tiermedizin mit 1.300 Euro) entrichten. An den privaten Hochschulen zahlen alle Studierenden Studiengebühren. Deren Höhe variiert nach Studienfach und -ort.

Das Studienjahr in Rumänien beginnt am 1. Oktober. Die erste Phase der Vorlesungen dauert in der Regel bis Mitte Januar, daran schließt sich eine drei- bis vierwöchige Prüfungszeit an.

Zwischen dem ersten und zweiten Studienhalbjahr besteht in der Regel eine Ferienzeit von einer Woche. Das zweite Studienhalbjahr beginnt in der Regel Mitte Februar und die Vorlesungen laufen bis Ende Mai. Anschließend folgt eine vierwöchige Prüfungsphase. Für die Abschlussjahrgänge ist das zweite Semester kürzer wegen der Abschlussprüfungen und endet in der Regel Mitte Mai anstatt Ende Mai. Die Semesterferien erstrecken sich auf die Monate Juli bis September. Alle Studiengänge immatrikulieren Studienanfänger ausschließlich zum 1. Oktober. Es gibt keinen Studienbeginn zum zweiten Studienhalbjahr.

Das Lehrpersonal an den Universitäten ist in der Regel gut ausgebildet. Das Bildungsgesetz von 2011 legt fest, dass im Masterbereich alle Lehrkräfte mindestens promoviert sein müssen. In Bachelorprogrammen dürfen zusätzlich Doktoranden unterrichten. Für ausländische Lehrkräfte können Ausnahmen beantragt und genehmigt werden; diese Ausnahmeregelung ist zum Beispiel für nicht-promovierte DAAD-Lektoren einschlägig. Das universitäre System kennt vier Karrierestufen: Assistent, Lektor, Conferentiar und Universitätsprofessor. Je nach Stufe müssen für eine Bewerbung auf eine Stelle gewisse Voraussetzungen (Anzahl der Publikationen, Lehrerfahrung, Forschungserfahrung, Forschungsprojekte) erfüllt werden. Ein automatischer Aufstieg innerhalb des Systems etwa auf Altersgrundlage findet somit nicht mehr statt. Akademische Stellen müssen öffentlich ausgeschrieben werden. Mit dem oben genannten Bildungsgesetz führte Rumänien die Habilitation an Hochschulen als Voraussetzung für die Tätigkeit als Hochschulprofessor und die Betreuung von Doktoranden ein. Trotz der öffentlichen Ausschreibung besteht jedoch kaum Mobilität der Hochschullehrkräfte, was mit Sicherheit auch auf die schlechte Bezahlung zurückzuführen ist.

Forschung

Traditionell ist die Forschung, vor allem die Grundlagenforschung, Aufgabe der Akademie der Wissenschaften und einiger größerer Forschungsinstitute, welche direkt den Ministerien unterstellt sind. Stellenweise finden sich in diesem Bereich der außeruniversitären Forschung beachtliche Großpro-jekte: so zum Beispiel „Extreme Light Infrastructure Nuclear Physics“ (ELI-NP), die weltweit größte Forschungsanlage im Bereich der Hochleistungslasertechnologie. Im ELI-NP-Forschungskonsortium sind insgesamt 40 Partner aus 13 Ländern involviert. Ziel der interdisziplinär ausgerichteten Forschung ist die innovative Erkenntnisgewinnung zur Interaktion von Licht und Materie. Die Forschung wird an insgesamt drei Standorten (Tschechien, Ungarn und Rumänien) durchgeführt. In Bukarest wird das Projekt vom „Horia Hulubei“-Institut für Nuklearphysik betreut. Die in Magurele (am Stadtrand Bukarests) liegende Infrastruktur für Laserforschung wurde mit 365 Millionen Euro finanziert (311 Millionen aus europäischen Fonds).Weitere Informationen: http://www.eli-np.ro und https://ec.europa.eu/regional_policy/de/newsroom/news/2013/06/21-06-2013-launch-of-romanian-seat-of-top-research-consortium-eli.

Seit 1990 findet auch vermehrt Forschung in den Universitäten statt. In den vergangenen Jahren wurde die Gründung von Forschungszentren an den Universitäten forciert. Eine wichtige Funktion innerhalb der rumänischen Forschungslandschaft nimmt der Nationale Rat für wissenschaftliche Forschung (Consiliul National al Cercetarii Stiintifice - CNCS) ein, der als Mittlerinstitution des Bildungsministeriums unter anderem die staatlichen Fördergelder für Forschungsprojekte, auch an Hochschulen, ausschreibt und vergibt. Jeder Lehrende ist zudem verpflichtet, zu forschen und dies durch Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften zu belegen. Die veröffentlichten Publikationen, diverse Forschungsprojekte sowie die Drittmitteleinwerbung sind Grundvoraussetzungen, um innerhalb des wissenschaftlichen Systems befördert zu werden.

Verfasser: Michael Jaumann, Leiter des DAAD-Informationszentrums Bukarest

Der DAAD ist in Rumänien durch ein Informationszentrum in Bukarest und insgesamt neun Lektorate an den Standorten Bukarest, Sibiu, Timişoara, Iaşi und Cluj-Napoca vertreten.