Bulgarien: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Im November 2016 wählten die Bulgaren den unparteiischen, von den Sozialisten unterstützten General Rumen Radev zum neuen bulgarischen Präsidenten. Er übernahm das Amt am 22. Januar 2017. Der bulgarische Ministerpräsident Boyko Borisov erklärte nach der Niederlage der von ihm nominierten Präsidentschaftskandidatin Zezka Zatschewa seinen Rücktritt. Die Parlamentsneuwahlen im März 2017 gewann erneut Borisov mit GERB.
Der neue Koalitionsvertrag vom Mai 2017 sieht einige Verbesserungen im Bildungssystem vor, zum Beispiel eine entscheidende Anhebung der Lehrergehälter.

Bulgarien hat 37 staatliche und 13 private Hochschuleinrichtungen. Laut offiziellen Statistiken hatte Bulgarien im Hochschuljahr 2017 / 2018 circa 230.000 Studierende (Quelle: NSI-Nationales Statistik Institut der Republik Bulgarien). Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge und Abwanderungen ins Ausland bleiben Studienplätze in beträchtlicher Höhe an bulgarischen Hochschulen unbesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der neu aufgenommenen Studierenden im Studienjahr 2017/2018 um 8 Prozent (30.000 weniger Studierende in den letzten fünf Jahren). Der stärkste Rückgang ist in den Studiengängen BWL und Verwaltungswissenschaften zu beobachten. Eine Steigerung der Studierendenzahlen ist hingegen in den Studiengängen im Bereich der Physik, Chemie, Pädagogik sowie Mathematik und Informatik zu verzeichnen, die als staatlich definierte Prioritäten gelten. Dieser negative Trend der Studierendenzahlen führt dazu, dass viele Hochschulen eine Reihe von Studiengängen mit wenigen Studierenden schließen, in vielen anderen wird die Zahl der angebotenen Studienplätze staatlich reduziert (zum Beispiel Wirtschaftswissenschaften an der Universität für National- und Weltwirtschaft in Sofia). Universitäten, die abseits von großstädtischen Räumen liegen, wie zum Beispiel die Technische Universität Gabrovo erhalten allerdings mehr finanzielle Subventionen, um ihre Standorte attraktiver zu machen. Viele Universitäten erhöhen die Studiengebühren. Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Studierendenzahlen sind zum Beispiel die Senkung der Kriterien für die Studienaufnahme und die Aufnahme von neuen Studierenden für ein bezahltes Studium.

Politische Unterstützung zur Verbesserung der Attraktivität der Universitäten bemerkt man kaum. Es fehlt hier vor allem an finanzieller Unterstützung in Lehre und Forschung. Vergleichsweise niedrige Gehälter für das Lehrpersonal bewirken, dass die meisten Lehrenden, die zwar ihren Hauptarbeitsplatz an der Hochschule haben, noch zusätzlich einer zweiten Erwerbstätigkeit nachgehen (müssen). Im Schulbereich ist die Lage ähnlich. Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung unter Boiko Borissov vom Mai 2017 sieht stärkere Investitionen in die Bildung vor: Anhebung der Lehrergehälter (Verdoppelung bis zum Ende der Regierungszeit, bessere Motivation durch Investition in die Weiterbildung der Lehrer, Ausbau des Berufsausbildungssystems durch Ausbau der dualen Ausbildung, Reformierung der nationalen Agentur für Qualitätskontrolle und Akkreditierung, Investitionen in Forschung, Wissenschaft, Technologieparks, Patente). Die konkrete Umsetzung bleibt abzuwarten.

Ein Ziel in der Entwicklung der Hochschulausbildung ist eine engere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen, um den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Eine interdisziplinäre Ausrichtung von Wissenschaft und Lehre wird von einigen Universitäten, vornehmlich privaten angestrebt. Auch wissenschaftliche Institute und Einrichtungen wollen teilweise stärker mit Universitäten und Hochschulen zusammenarbeiten. Die Ausstattung und wissenschaftliche Ausrichtung der Institution unterscheidet sich sehr stark in dem Maße, ob eine Universität staatlich oder privat ist. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Vernetzung mit Forschungseinrichtungen.

Trotz hoher Arbeitslosigkeit herrscht in einigen Bereichen ein Fachkräftemangel. Dieser ist zum einen den deutlich attraktiveren Arbeitsbedingungen im Ausland geschuldet. Zum anderen spielt die Wahl des Studienfachs eine große Rolle. Während über Jahre Jura einen starken Zulauf von Seiten der Studierenden erfuhr, ist es zurzeit die Psychologie. Das Beispiel der Ingenieursausbildung zeigt deutlich, dass vor 1990 eine sehr stark an Wirtschaft und Produktion ausgerichtete Ausbildung angeboten wurde. Inzwischen fehlt den Ingenieurswissenschaften der Nachwuchs. Auch im Tourismus, ein wichtiger Wirtschaftszweig für Bulgarien fehlen Fachkräfte. Die Tendenzen zur Abwanderung gut ausgebildeter junger Menschen (Abiturienten, Universitätsabsolventen) und Fachkräftemangel bestehen fort.

Verfasser: DAAD-Lektoren in Bulgarien, DAAD Bonn

Der DAAD ist in Bulgarien mit jeweils einem Lektorat an der Fakultät für deutschsprachige Ingenieur- und Betriebswirtschaftsausbildung (FDIBA), an der St. Kliment Ohridski-Universität in Sofia, an der Universität Veliko Tarnovo und der Konstantin-Preslawski-Universität Schumen vertreten.