Albanien: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Seit dem 24. Juni 2014 ist Albanien offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union, im Juni 2018 wurde der Eröffnung der Beitrittsverhandlung grundsätzlich zugestimmt und, unter der Auflage weiterer Reformen, der Beginn der Gespräche für Juni 2019 in Aussicht gestellt In den Wahlen vom 25. Juni 2017 hatten die regierenden Sozialisten die Parlamentswahl in Albanien erneut gewonnen. Der Regierungschef Edi Rama verspricht in seiner zweiten Amtszeit Maßnahmen für Wirtschaftswachstum, die Umsetzung der von Brüssel geforderten Reformen im Justizwessen und Bemühungen zur Verbesserung des Bildungssystems.

Im Bildungssektor bleibt die Situation trotz umfassender und fortdauernder Reformanstrengungen schwierig, weil ein erfolgreiches Studium nicht nur davon abhängt, wie die Bedingungen an den Hochschulen aussehen. Ganz entscheidend sind auch die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen. Vermögende Eltern investieren erhebliche Summen in die Ausbildung ihrer Kinder, denn die Qualität der Lehre und die Rahmenbedingungen lassen an den staatlichen Universitäten sehr zu wünschen übrig. Daher wird entweder versucht den Jugendlichen eine Ausbildung im Ausland zu ermöglichen oder alternativ an einer privaten Einrichtung im Land zu studieren. Die Jugendlichen leiden besonders unter den schlechten wirtschaftlichen und mitunter sozialen Verhältnissen.

Generell ist Albanien von einer negativen demographischen Entwicklung betroffen. Junge Menschen im studierfähigen Alter wandern ab und zurück bleiben Minderjährige in ihren Familien und eine stetig steigende Gruppe älterer, häufig nicht mehr im Berufsleben stehender Menschen. Albanien hat 15 öffentliche Hochschulen (davon 12 staatliche Universitäten und 3 Akademien), sowie 26 private Hochschulinstitutionen. Die Gründung privater Hochschulen boomte in Albanien zwischen 2004 und 2010. Nur eine dieser Neugründungen erfolgte als staatliche Einrichtung. Zum Tertiärbereich gehören neben den Universitäten verschiedene Hochschulen mit Universitätsrang und Hochschulen für postsekundäre Ausbildung (Höhere Fachschulen/ Fachhochschulen), in denen in zwei- bis fünfjährigen Kursen eine wissenschaftlich fundierte Berufsausbildung erfolgt.

Die Berufsausbildung besitzt in Albanien derzeit wenig Attraktivität und hier wird im Berufsbildungssystem nach Reformen gestrebt, um den Unterricht besser mit den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts und mit den Erfordernissen aus der Praxis in Einklang zu bringen. Die Regierung und das Ministerium für Bildung und Sport haben seit 2014 die Berufsausbildung als einen Schwerpunkt gesetzt, der sich auch durch den zunehmenden Mangel an ausgebildeten Fachkräften erklären lässt. Obwohl es seit der ersten Regierung unter Edi Rama eine eigene Sektion für Berufsbildung innerhalb des Ministeriums für Bildung und Sport gibt, hat sich auf diesem Gebiet praktisch noch nicht viel getan. In Albanien gibt es 41 Schulen für die technische und berufliche Ausbildung, die in vier Bereiche unterteilt sind: 19 Elektromechanik-Schulen, neun Wirtschaftsschulen, vier Bau-/Möbelbau Schulen und neun Landwirtschaft-Wald-Tiermedizin Schulen. Besonders hervorzuheben ist die Berufsschule in Kamza, einem Vorort von Tirana. In fünf Ausbildungszweigen werden die Schüler hier gebildet, die Berufsschule ist durch eine Kooperation mit der GIZ und dem BMZ ausgebaut worden und gilt inzwischen als Modell der Reform in der beruflichen Bildung. Diese Schule legt großen Wert darauf ihren Schülern und Absolventen Zukunftsperspektiven in der Heimat zu geben.

Am 21. Juli 2015 verabschiedete das Parlament einen Gesetzesentwurf zur Hochschulreform. Der Entwurf unterstreicht Hochschulbildung als öffentliches Gut, für die eine öffentliche Verantwortung besteht. Der Staat verpflichtet sich, jedem Abiturienten, der die Voraussetzungen für ein Studium erfüllt, einen Studienplatz zu garantieren und sozial schwächere Studierende finanziell zu unterstützen. Zu den wichtigsten Neuerungen gehören Änderungen der Organisationsstruktur der Hochschulen. Hierzu zählt eine klare Trennung zwischen administrativer und akademischer Hochschulleitung, wobei die Administration der Wissenschaft unterstellt ist. Diese Regelung existiert allerdings weiterhin primär auf dem Papier, in der Praxis wird sie zumeist nicht richtig umgesetzt und die Wissenschaft wird mehr behindert als gefördert. Hier scheinen sich aber im Jahr 2018 durch personelle Veränderungen an Schlüsselpositionen Möglichkeiten der Veränderung zu ergeben.

Das schon 2003 eingeführte dreistufige bologna-konforme Studiensystem mit dreijährigen Bachelor- und zweijährigen Masterprogrammen, sowie einem dritten Zyklus für die PhD-Ausbildung bleibt weiter bestehen. Neu ist der Vorschlag, dass berufsbegleitende Studiengänge nur noch im zweiten oder dritten Zyklus angeboten werden können. Die Hochschulen sind für die interne Qualitätssicherung selbst verantwortlich. Nach dem neuen Hochschulgesetz sollen die Studierenden die von der Hochschule festgelegten Voraussetzungen erfüllen, um zum Studium zugelassen zu werden, das heißt keine offenen Türen mehr für alle. Die Fakultäten können angeben, welche Kriterien für das Auswahlverfahren berücksichtigt werden sollen. Die Zulassungskriterien variieren momentan zwischen den Universitäten, die meisten folgen jedoch folgendem Vorgehen: Entscheidend für die Aufnahme sind zu 50 Prozent die Durchschnittsnote im Abiturzeugnis und in den Abiturprüfungen und zu 50 Prozent die ausgewählten Fächergruppen, für die Punkte vergeben werden. Es gibt keine Zulassungsprüfung. Aktuell werden jährliche Studiengebühren erhoben, die zwischen circa 25.000 Albanischen Lek etwa für die Fremdsprachenfakultät und circa 40.000 Albanischen Lek für die Juristische Fakultät variieren können.

Nach dem neuen Hochschulgesetz soll die Hälfte der Hochschulen privat betrieben werden, um einen größeren Wettbewerb zu schaffen, dies hätte aber zur Folge, dass etwa die Hälfte der staatlichen Hochschulmittel an private Einrichtungen gezahlt würden und die staatlichen Hochschulen benachteiligt wären. Dies würde langfristig vor allem die Ausbildungschancen für Kinder geringverdienender Haushalte stark beeinträchtigen. Eine Privatisierung der Hochschulen gefährdet außerdem die Hochschulbildung und öffnet der Korruption weitere Türen. Dieses Problem ist weiterhin virulent. Die staatlichen albanischen Universitäten wehren sich gegen eine staatliche Bevorteilung der privaten Universitäten. Die Standards der privaten Universitäten schwanken massiv. Eltern, die an der Ausbildung ihrer Kinder interessiert sind und sich diese leisten können, schicken ihre Kinder zum Studium ins Ausland. Sollte dies nicht möglich sein, werden die besseren privaten Universitäten von dieser Klientel bevorzugt.

2017 war auch in Albanien ein großes Wahljahr, entsprechend wurde seit dem Akademischen Jahr 2016/17 wenig Langfristiges geäußert, sondern vielmehr kurzfristig agiert, daher wurden durch auffällig häufige Informationsveranstaltungen in allen albanischen Städten zu Studienprogrammen und Förderungen im Ausland (Initiative des Albanischen Außenministeriums) und - zumindest an der Universität Tirana - gezielt zur Information von Studienmöglichkeiten in den EU Ländern (von den Universitäten organisiert) Initiativen durchgeführt. Diese Bewegungen sind inzwischen wieder verstummt.

Verfasser: DAAD Lektorat / Verbindungsbüro Tirana

Der DAAD ist in Albanien mit einem Lektorat an der Universität Tirana vertreten.