Usbekistan: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Usbekistan ist das bevölkerungsreichste Land Mittelasiens mit einer gut entwickelten industriellen und landwirtschaftlichen Basis. Die Landwirtschaft, in der circa ein Viertel der Bevölkerung beschäftigt ist, dominiert das Leben außerhalb der Städte und trägt fast 30 Prozent zum BIP bei. Der Anteil der Industrie liegt bei über 20 Prozent, soll allerdings nach Plänen der Regierung weiter steigen. Seit der Unabhängigkeit 1991 hat der Staat die Transformation von einer sowjetisch zentralistischen Planwirtschaft zu einem marktwirtschaftlich orientierten System noch nicht vollständig vollzogen. Usbekistan ist noch nicht an der Eurasischen Zollunion (Russland, Kasachstan und andere) beteiligt, es mehren sich aber die Zeichen, die auf einen Beitritt hindeuten. Dies gilt auch für einen WTO-Beitritt. Zu den wichtigsten Ausfuhrgütern gehören Baumwollfasern, Energieträger, Metalle sowie Nahrungsmittel. Die wichtigsten Einfuhrgüter sind Maschinen und Ausrüstungen, chemische Erzeugnisse, Kunststoffe und Kunststofferzeugnisse, Eisen- und Buntmetalle. Wichtigste Handelspartner sind China und Russland.

Usbekistan verzeichnet in den vergangenen Jahrzehnten ein stabiles und stetiges Bevölkerungswachstum. Die demographische Struktur zeigt eine junge Bevölkerung. Das lässt eine ausreichend große, unter Umständen wachsende Zahl von potentiellen Studienbewerbern erwarten. Allerdings gilt es zu beachten, dass das Bevölkerungswachstum vorwiegend in den ländlichen, zumeist agrarisch geprägten Regionen des Landes stattfindet, wo die Situation der Schulbildung, aber auch der Hochschulbildung verbesserungsbedürftig ist. Somit führt das Bevölkerungswachstum nicht automatisch zu einer zunehmenden Zahl von (hoch)qualifizierten Studieninteressenten.

Die Kennziffern der letzten zehn Jahre belegen ein beachtliches Wirtschaftswachstum, das jedoch mit einer beträchtlichen Inflationsrate von mehr als 10 Prozent per annum korreliert. Gleichwohl sind Entwicklungsschritte in vielen Bereichen der Wirtschaft und Infrastruktur erkennbar. Usbekistan steht im Vergleich zu den kleineren, im Hochgebirge gelegenen und weniger entwickelten zentralasiatischen Staaten Kirgisistan und Tadschikistan wirtschaftlich besser da. Der Nachbar Turkmenistan als dünn besiedelter Wüstenstaat mit beträchtlichen, direkt exportfähigen Gas- und Ölvorkommen genießt einen wirtschaftlichen Sonderstatus. Der flächenmäßig riesige nördliche Nachbar Kasachstan, der bevölkerungsmäßig allerdings nur halb so groß wie Usbekistan ist, zugleich aber über erheblich größere Öl- und Gasressourcen verfügt, weist dank einer Zollunion eine enge wirtschaftliche Anbindung an Russland auf.

Demgegenüber betrieb Usbekistan seit der Unabhängigkeit 1991 eine Politik der außenpolitischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit und des strikten Schutzes seines Binnenmarktes, die sich aber nun in einem starken Wandel befindet. Vor allem die Abwertung des SUM im September 2017 und die damit einhergehende Liberalisierung des Währungsumtausches sollen zu mehr Investitionen ausländischer Unternehmen führen. Die usbekische Führung setzt auf ausgewogene wirtschaftliche Kooperation mit einer Vielzahl von auswärtigen Partnern, unter denen die ost- und südostasiatischen Länder zunehmend an Bedeutung gewinnen. Neben Südkorea, Japan, China, Singapur, Indien, Pakistan, der Türkei und Russland spielt Deutschland als europäischer Partner eine herausgehobene Rolle.

Das usbekische Hochschulsystem umfasst derzeit über 100 Hochschulen, wobei diese Zahl nur eine Momentaufnahme ist, da aktuell zahlreiche neue Bildungseinrichtungen mit Universitätsstatus gegründet werden, vor allem mit ausländischer Beteiligung. Hochschulen und Universitäten gliedern sich in zwei Gruppen: Die erste, bei weitem überwiegende Gruppe umfasst staatliche usbekische Hochschulen. Zu der zweiten Gruppe, zahlenmäßig geringer, gehören Hochschulen, die als Filialen oder Gründungen ausländischer akademischer Einrichtungen in Usbekistan nach innerstaatlichem Recht und entsprechender nationaler Akkreditierung in privater Trägerschaft aktiv sind.

Die Zahl der ausländischen Hochschulen oder Hochschulniederlassungen liegt bei über 20. Das dort angebotene Fächerspektrum umfasst Technik-, Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Medizin. Die ausländischen, beziehungsweise mit ausländischer Unterstützung gegründeten Universitäten, sind zum allergrößten Teil in der Hauptstadt Taschkent konzentriert. Sie erheben durchweg Studiengebühren in beträchtlicher Höhe, was zu einer sozialen Selektion der Studierenden führt und zugleich dem Leistungsanspruch und dem Karrieredenken der Studierenden und ihrer Familien entspricht.

Das usbekische Hochschulsystem operiert mit einem zweistufigen Studienmodell, das an das angelsächsische beziehungsweise EU-Modell – BA / MA – angelehnt ist. Der erste, grundständige Studienabschnitt, der als voller, berufsbefähigender Studiengang ausgelegt ist, ist das Bakkalaureat, welches eine Studiendauer von vier vollen akademischen Jahren vorsieht. Seit längerer Zeit gibt es Überlegungen, die Studiendauer zu verkürzen, allerdings ist dies bisher nur bei wenigen Studiengängen geschehen. Das Bakkalaureat wird durch Leistungsnachweise im Laufe des Studiums, zumeist als benotete oder nicht-benotete mündliche Prüfungen, und eine BA-Abschlussarbeit erworben. Die Einführung eines Creditpoint-Systems wurde 2019 an der Hochschule für Informationstechnologien pilotiert und sollte zum folgenden Sommersemester auch an weiteren Hochschulen erprobt werden. Das Studium ist stark verschult, das Curriculum besteht überwiegend aus Pflichtveranstaltungen, die in einem strikten, jeweils semesterspezifischen Stundenplan zusammengefasst sind. Die Studierenden durchlaufen das Studium in festen Studiengruppen, in denen sie vom ersten bis zum letzten Semester gemeinsam lernen. Individuelle Wahlmöglichkeiten im Studium sind weitgehend unbekannt, eine Unterteilung in obligatorische und fakultative Veranstaltungen sowie das Angebot von Wahlpflichtveranstaltungen sind nicht verbreitet.

Das Fächerspektrum im BA-Studium umfasst einen relativ großen Anteil (bis zu 30 Prozent) von allgemeinbildenden Pflichtveranstaltungen, zum Beispiel Hochschulsport, Landesgeschichte, allgemeine Kulturgeschichte, mathematische Grundlagen, Vorlesungen zu patriotischen Themen und Reden des Präsidenten der Republik Usbekistan. Dieser allgemeinbildende Studienanteil lässt sich in gewissen Grenzen mit einem „Studium Generale“ vergleichen, soll allerdings in absehbarer Zeit deutlich reduziert werden, höchstwahrscheinlich im Zusammenghang mit der erwähnten Einführung eines Creditpoint-Systems.

Der zweite, nur für einen geringen Anteil der BA-Absolventen offenstehende Studienabschnitt ist das MA-Studium, das als zweijähriges Studium konzipiert ist. Die usbekische Bezeichnung lautet „Magistratura“, als Abschluss wird der Magistergrad vergeben. In diesem Studium sind die fachspezifischen und auf eigenständige Forschung orientierten Anteile deutlich höher als im BA-Studium. Die Leistungsnachweise werden allerdings auch in diesem Abschnitt vorwiegend durch schriftliche und mündliche Prüfungen erworben, größere eigenständige Haus- und Semesterarbeiten sind eher die Ausnahme. Das Studium wird mit einer Abschlussarbeit beendet, die benotet und in der Regel in einer mündlichen Prüfung zu verteidigen ist.

Das Niveau der Abschlüsse (BA und MA) liegt erkennbar unter dem an deutschen Hochschulen vermittelten und den in Deutschland von Absolventen erwarteten wissenschaftlichen Kenntnissen und Fertigkeiten. Das Studium konzentriert sich – vor allem im BA-Bereich – auf die Rezeption, Akkumulation und Rekapitulation von fertigem, durch die Dozenten vermitteltem Wissen. Ausnahmen dürften die Studiengänge in Mathematik und Informatik, in gewissen naturwissenschaftlichen Fächern und einigen Studiengängen an den Eliteuniversitäten (Weltwirtschaft und Diplomatie, Westminster International, Turin Polytechnic) bilden. Generell sind die Fähigkeiten der usbekischen Absolventen zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit, zu theoriegeleiteter Analyse, zu kritischer Reflexion und zu begründeter Argumentation im Vergleich mit Absolventen deutscher Hochschulen deutlich schwächer ausgebildet.

Vergleich zu anderen Staaten der Region ist das Bildungsniveau jedoch als durchaus hoch anzusehen; insbesondere in bestimmten Wissenschaftsdisziplinen wie Physik und Mathematik sowie in Teilbereichen der Sozial- und Geisteswissenschaften sind respektable Leistungen zu erkennen. Die Nachfrage nach Studienplätzen übersteigt das Angebot deutlich; der usbekische Staat reguliert und beschränkt den Hochschulzugang stark. 2019 lag die Quote der Studienanfänger bei unter 20 Prozent, Pläne der Regierung sehen jedoch eine beachtliche Steigerung auf 50 Prozent bis 2030 vor. Es besteht ein Mangel an hochqualifizierten Lehrkräften, allerdings sind Bemühungen erkennbar, das Lehrpersonal fortzubilden und dazu auch mit staatlichen Stipendien ins (westliche) Ausland zu schicken. Die Gehälter der Lehrenden wurden in den letzten Monaten deutlich angehoben, um mehr Fachkräfte an die Hochschulen zu locken, beziehungsweise sie dort zu halten.

Die Dauer des Schulbesuchs wurde zum Schuljahr 2017/2018 von zwölf auf elf Jahre verkürzt, wobei nun auch die bisherigen Mittel- und Berufsschulen bis zur 11. Klasse unterrichten dürfen. Dies führte zu einer Schließung einer Vielzahl an Lyzeen (gymnasiale Oberstufe), da der Verbleib auf der Mittelschule als oftmals attraktiver angesehen wird. An Lyzeen sollen nur noch die wirklich talentiertesten Schüler auf ein Studium vorbereitet werden. Für das DSD-Programm der ZfA entsteht durch diese ohne große Vorankündigung durchgeführte Reform ein großes Problem, da das DSDII auf eine Dauer von zwölf Schuljahren ausgelegt ist.

Russisch ist weiterhin die entscheidende Verkehrssprache in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Sprachumstellung vom Russischen auf das Usbekische und das Fehlen von aktueller Fachliteratur in usbekischer Sprache erschweren den Bildungsprozess. Die wichtigsten Fremdsprachen sind Englisch und mit erheblichem Abstand Deutsch und Französisch. Allerdings wird die seit 2010 zu beobachtende enorme Fokussierung auf die Förderung der englischen Sprache seit 2017 wieder schrittweise zurückgenommen und Deutsch bekommt erneut mehr Aufmerksamkeit, was sich sehr gut an den wachsenden Studierendenzahlen ablesen lässt.

In den politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Usbekistan besteht eine weitgehende Interessenübereinstimmung in entwicklungspolitischen Zielsetzungen und in der Sorge um die sicherheitspolitischen Entwicklungen in Afghanistan. Eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zeichnet sich ab. Dies wurde beim Besuch des usbekischen Präsidenten Anfang 2019 in Berlin und beim Gegenbesuch des Bundespräsidenten Ende Mai 2019 in Usbekistan sehr deutlich.

Verfasserin: Simon Kretschmer, DAAD-Lektorat in Taschkent 

Der DAAD ist in Usbekistan durch ein Informationszentrum in Taschkent vertreten. Darüber hinaus besteht je ein Lektorat an der Nationalen Mirzo-Ulugbek-Universität (NUU) inTaschkent und an der Staatlichen Universität Fergana.