Myanmar: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Grundsätzlich hat Bildung in der myanmarischen Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert. Durch die Jahrzehnte der Isolation ist der Qualitätsstandard der myanmarischen Hochschulen stark abgefallen. Trotz der niedrigen Standards ist die Analphabetenrate im Vergleich zu anderen südostasiatischen Ländern mit ca. 10 Prozent relativ niedrig, mit sehr starken Unterschieden zwischen Stadt und Land. Allerdings hat Myanmar eine sehr hohe Schulabbrecherquote, die bereits nach der Grundschule einsetzt. Das liegt vor allem in den ländlichen Regionen an den mit der Schulausbildung verbundenen Kosten (unter anderem Schuluniformen, Schulbücher, Transport, extra Zahlungen für die Lehrer) sowie auch daran, dass die Kinder durch ihren Schulbesuch nicht arbeiten und zum Familieneinkommen beitragen können. Mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum zwischen sechs und sieben Prozent (2019: 6,6 Prozent; Weltbank) sind aber Bedingungen für ein Anwachsen einer bildungsbewussten Mittelschicht sowie auch einer besseren finanziellen Ausstattung der Schulen und Universitäten gegeben.

Nach elf Jahren Kindergarten und Schulbesuch kann in Myanmar bisher eine Hochschule oder ein berufsbildendes College besucht werden. Da das Ausbildungsniveau dadurch an den Hochschulen vergleichsweise niedrig ist, wird aktuell der Kindergarten- und Schulbesuch von elf auf 13 Jahre verlängert. An den 174 Hochschulen und Colleges studierten 2019 laut einer Rede des myanmarischen Bildungsministers und DAAD-Alumnus Dr. Myo Thein Gyi 2019 1,12 Millionen Studierende. Das ist ein Anstieg seit 2013 um knapp 63 Prozent. Zu diesem starken Anstieg hat insbesondere die University of Distance Education beigetragen, deren Studierendenzahl sich bis zum Studienjahr 2017/18 auf 515.000 verdoppelt hat (gemäß Myanmar Statistical Yearbook 2018). 134 Hochschulen unterstehen dem Bildungsministerium, die anderen 40 gehören zu weiteren sieben Ministerien.

Das Hochschulstudium ist strukturiert in ein vierjähriges Bachelor- und ein zweijähriges Masterstudium. Bisher kann man nur an wenigen Hochschulen einen Doktorgrad erwerben. Der Schwerpunkt der Arbeit an den Hochschulen liegt in der Bachelorausbildung.

Die 174 staatlichen Hochschulen in Myanmar werden fast vollständig vom Staat finanziert. Myanmar investierte 2018 in seinen gesamten Bildungsbereich nur 2,17 Prozent seines BIP, der Anteil sank sogar noch leicht im Vergleich zum Vorjahr. Davon entfielen wiederum nur knapp 15 Prozent auf den tertiären Bildungsbereich. Das heißt, dass Myanmar nur rund 0,3 Prozent seines BIP in seine Hochschulen sowie die berufsbildenden Colleges investiert. So verwundert es nicht, dass in den stark unterfinanzierten Hochschulen überwiegend Frauen als Lehrkräfte arbeiten, da die Gehälter kaum zum Leben reichen und ihre Männer in anderen Berufen mehr Geld verdienen (müssen). Zwar sind die Studiengebühren kaum erwähnenswert (zum Teil nur 10 USD pro Jahr), aber auch an den Hochschulen gibt es einen hohen informellen Anteil, der zum Beispiel in „Nachhilfen“ oder „Tutorien“ der Lehrkräfte besteht, die dann wesentlich teurer sind. Das führt dazu, dass viele Studierende nur ein Teilzeitstudium durchführen, da sie nebenbei oder hauptberuflich Geld für sich und ihre Familien verdienen müssen. Viele Hochschulen bieten daher auch Fernstudienkurse, um einerseits die armen Schichten außerhalb der Städte zu erreichen und andererseits ein Arbeiten neben dem Studium möglich zu machen.

Nach dem erdrutschartigen Wahlsieg der Nationalliga für Demokratie (NLD) unter der Führung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi im Herbst 2015 ist die Verbesserung von Bildung und Ausbildung auf allen Ebenen nationale Aufgabe geworden. Es herrscht aber weiterhin eine strenge staatliche Kontrolle in allen Belangen der Hochschulen. Zwar möchte Bildungsminister Myo Thein Gyi den Hochschulen mehr Autonomie zugestehen, doch ist das bisher eher ein zögerlicher Reformprozess, zumal er auch mit mehr Verantwortung für die Hochschulleitungen verbunden ist, die wiederum viele nicht gewohnt oder zu übernehmen bereit sind. Die 2018 gegründete myanmarische Rektorenkonferenz, das Rector´s Committee, hat unter anderem die Aufgabe, den Prozess hin zu mehr Hochschautonomie inhaltlich federführend zu begleiten. Das Rector´s Committee wiederum untersteht der National Education Policy Commission (NEPC), die im Dialog mit, aber unabhängig vom Bildungsministerium die Reformpolitik im Bildungsbereich formuliert und implementiert. Die NEPC wird von DAAD-Alumnus Dr. Myo Kywe geleitet.

Zu den wichtigen Universitäten des Landes gehören die Yangon University, die University of Mandalay, die Technological University in Yangon und in Mandalay und die Yangon University of Economics. Darüber hinaus gibt es zahlreiche fachlich orientierte Hochschulen, darunter nicht weniger als 24 Universitäten mit Schwerpunkt Computer und Informationstechnologie und 24 Technische Universitäten.

In Planung ist momentan, sechs starke Universitäten in Yangon zu einem Cluster zusammenzuführen und so unter anderem auch eine größere internationale Sichtbarkeit zu erreichen. Es handelt sich um:

  • Yangon University
  • Yangon Technological University
  • Yangon University of Economics
  • Yangon University of Information Technology
  • Yangon University of Foreign Languages
  • Yangon University of Education.

Insbesondere Bildungsminister Myo Thein Gyi ist sehr um eine Weiterentwicklung des Hochschulbereichs bemüht, doch es dauert seine Zeit, die jahrzehntealten Strukturen zu verändern, den Hochschulen mehr Handlungsspielräume zu gewähren oder die Curricula zu modernisieren.

Verfasser: Stefan Hase-Bergen, Leiter der Außenstelle Hanoi