Begeisterung stiftet Zusammenarbeit:  Kooperationspotenziale am Hochschulstandort Kasachstan

Kasachstan

Dichte Wälder, extreme Wüsten, umgeben von mehr als 3000 Meter hohen Bergen – Kasachstan ist ein facettenreiches und beeindruckendes Land für Naturfreunde und Abenteurer und immer mehr auch ein einladendes Land für den Austausch und die internationale Zusammenarbeit in der Wissenschaft.

 

Hochschullandschaft in Kasachstan: Aufbruch in die Moderne 

„Hochschulbildung hat in Kasachstan einen hohen Stellenwert und die Internationalisierung des gesamten Hochschulwesens ist erklärtes bildungspolitisches Ziel“, sagt Bartholomäus Minkowski, Leiter des DAAD-Informationszentrums (IC) in der kasachischen Metropole Almaty. „Der kasachische Staat und die staatlichen Institutionen sind sehr daran interessiert, die Hochschulen für die Zukunft des Landes fit zu machen.“ Bis 2050 will Kasachstan einen Entwicklungsstand erreichen, der dem Norwegens und Deutschlands ähnlich ist. 


Neun große Universitäten wurden für dieses Ziel zu Forschungsuniversitäten und schließlich zu „Nationalen Universitäten“ erklärt – angeführt von der Nationalen Al-Farabi-Universität in Almaty. Alle sollen sich unter der Zuständigkeit und Kontrolle des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft binnen fünf Jahren zielstrebig und nach Plan entwickeln, zu Wissens- und Forschungszentren ausgebaut werden und weitgehende Autonomie erhalten. „Das Modernisierungstempo ist beachtlich“, sagt Minkowski. Ein Vorbild-Projekt mit besonderem Status ist die Nazarbayev-Universität (NU) in der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan, die 2009 zur Begabtenförderung gegründet wurde. Sie hat den Ruf, eine der besten Universitäten Zentralasiens zu sein. 

Von den mehr als 120 staatlichen Hochschulen im Land sind zwei Drittel privat. Auch zahlreiche internationale Universitäten gehören dazu, die auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen mit mehreren Ländern gegründet wurden – darunter die Deutsch-Kasachische Universität (DKU) in Almaty. 

„Go West“ – junge Studierende wollen ins Ausland

Studiert wird in Kasachstan schon mit 17 Jahren und seit 2010 bologna-konform mit Bachelor, Master, PhD  und einem ECTS-Punktesystem. Das Studium kostet Gebühren, die Zulassung zum Studium erfolgt durch einen landesweiten Test, den Unified National Test (UNT), der zeitgleich an allen höheren Schulen durchgeführt wird. „Etwa 15 Prozent der jungen Menschen, die im Ausland studieren wollen, bringen gute Fremdsprachenkenntnisse in Englisch mit“, sagt Minkowski aus seiner Erfahrung. „Wer sich das angeeignet hat, obwohl die Fremdsprachenausbildung an den Schulen noch nicht so weit fortgeschritten ist, ist wirklich sehr gut.“

Der Wunsch zu studieren und außerdem ins Ausland zu gehen, ist bei den kasachischen Schülerinnen und Schülern enorm groß. Das verdeutlichen die zahlreichen Vorstellungen und Anfragen beim DAAD-Informationszentrum in Almaty. Auch auf die Bildungsmessen, die über den staatlichen Bolashak Funds ausgerichtet werden, strömen viele Familien mit sehr jungen Kindern, erzählt Minkowski, denn kasachische Familien investierten generell viel in die Ausbildung ihrer Kinder. „Von den rund 700 Teilnehmenden der bisher jährlichen Bolashak International Education Fair, auf der sich um die 100 Hochschulen präsentieren, bleibt normalerweise sicher die Hälfte am DAAD-Stand stehen.“ Wegen der Corona-Pandemie sind Bildungsmessen derzeit ausgesetzt. Für deutsche Hochschulen lohne es sich aber sehr, an kasachischen Bildungsmessen teilzunehmen, wenn sie wieder stattfinden dürfen. Die dann auch gewährleistete visumfreie Einreise bis zu 30 Tagen ist ein zusätzliches Zeichen für die Willkommenskultur. „Die Hochschullandschaft ist offen, wächst und birgt ein großes Potenzial.“

Um ins Ausland zu gehen, werden talentierte junge Leute über das Stipendienprogramm Bolashak gefördert, welches 1993 von der kasachischen Regierung eingerichtet wurde. Zu den bevorzugten Ländern gehören die USA, Großbritannien, Europa – und hier vor allem Deutschland. „Die Affinität der Kasachen zu Deutschland ist hoch“, sagt Serik Abilov, Leiter des International Cooperation Department an der Kazakh American Free University in Ust-Kamenogorsk in Ostkasachstan. Die Ausbildung und Arbeitskultur in Deutschland sei unter Jugendlichen hoch angesehen, die Entfernung für die Familien überschaubar, die Flugverbindungen gut und es gebe noch viele familiäre Kontakte. „Ein großer Anreiz ist zudem das gebührenfreie Studium in Deutschland.“

Top-Themen: Naturwissenschaft, Technik und Digitales

Fächer wie Computerwissenschaften, Informationstechnik oder Ingenieur- und Umweltwissenschaften haben nach Einschätzung von Serik Abilov den größten Reiz für Studierende, die es nach Deutschland zieht. „Die internationale Ausrichtung in diesen Bereichen bedeutet auch in Deutschland oft englischsprachige Studiengänge. Das ist natürlich attraktiv für kasachische Studierende und Hochschulen.“

Wasserressourcen-Management ist beispielsweise ein Bereich, in dem internationale Kooperationen besonders aussichtsreich sind. „Wir sind ein interdisziplinäres Fach und haben ein großes Gleichgewicht zwischen ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern, sozialpolitischen Fächern, Feldarbeiten und Sprachkursen“, erklärt Juristin und DAAD-Langzeitdozentin Dr. Barbara Janusz-Pawletta. Sie hat an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty den UNESCO-Lehrstuhl für Wasserressourcen-Management in Zentralasien inne und leitet das Master-Programm „Integriertes Wasserressourcenmanagement“. Studierende aus ganz Zentralasien kommen für diesen Master, der von der FU Berlin getragen und vom DAAD sowie dem Auswärtigen Amt gefördert wird, nach Almaty. „Der internationale Austausch ist rege und deutsche Dozentinnen und Dozenten nehmen auch an unseren Sommerschulen und Forschungsprojekten teil.“ Umwelt, Wasser, erneuerbare Energien, der Einfluss des Klimawandels, Landmanagement, Rohstoffförderung – hier sieht Janusz-Pawletta ein großes Kooperationspotenzial. „Andere Schwerpunktbereiche für internationale Forschung und Lehre sind mit Blick auf die Seidenstraße und den Transfer von Gütern zum Beispiel Logistik und Infrastruktur, aber grundsätzlich auch die politische und soziale Zusammenarbeit in der Region und ihre geopolitische Bedeutung.“

Im Bereich Digitalisierung ist Kasachstan sehr fortschrittlich und gut aufgestellt. „Nur-Sultan und Almaty sind sogenannte Smart Cities“, erzählt Minkowski. Die Verkehrsführung wird hochmodern digital gesteuert und online zu sein ist selbst in der Steppe in weiten Teilen ein Normalzustand. „Internetanschlüsse sind überall verfügbar und kostenlos, Hotspots in den Dörfern gehören zum Alltag, die Begeisterung für digitale Medien ist hoch.“ Das erleichtere die internationale Zusammenarbeit mittels Online-Lehre oder digitalen Konferenzen.

Praxisorientierter Austausch

Die Offenheit für Kooperationen zeigt sich besonders deutlich, wenn sich potenzielle Partner kennenlernen. „Wer aufrichtiges Interesse an Kasachstan zeigt und mit konkreten Wünschen für den Austausch kommt, trifft auf offene, begeisterungsfähige Partner", sagt Minkowski. Viele Anknüpfungspunkte bieten sich in Kasachstan vor allem für angewandte Wissenschaften. Obwohl kasachische Hochschulen vom Bildungsministerium angewiesen seien, den Kontakt primär zu prominenten und hoch gerankten deutschen Hochschulen zu suchen, so Minkowski, haben auch kleine und mittlere deutsche Hochschulen eine sehr gute Chance, engagierten wissenschaftlichen Nachwuchs für sich zu begeistern. „80 Prozent der Eltern kasachischer Studierender suchen für ihre Kinder einen sicheren Studienort.“  Sie wollen ein schnelles, qualitativ hochwertiges Studium. Der Abschluss an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften, der im Land genauso anerkannt ist, wie der einer Universität, wird insbesondere durch die Praxisorientierung als sehr attraktiv wahrgenommen. Und wer dann nach Deutschland komme, ziehe sein Studium in der Regel auch durch. 

Die Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen wird in Kasachstan sehr ernst genommen. Begeisterung ist der Boden, auf dem viel Zusammenarbeit möglich ist, sagt Minkowski. Langzeitdozentin Janusz-Pawletta, an der DKU auch Prorektorin für internationale Kooperationen, wünscht sich ebenfalls, dass Kasachstan mehr in den Fokus rückt – als Land, das begeistern kann. „Wir haben enorme ökologische Herausforderungen, die ausgiebig erforscht werden können, aber eben auch eine wunderbare Natur, die im Bereich des nachhaltigen Umweltmanagements und Tourismus erkundet und bekannt gemacht werden kann.“

Autorin: Bettina Mittelstraß