Brasilien: Bildung und Wissenschaft

Studierende am Rednerpult ihrer Dozentin.

Inhalt

DAAD-Regionalinformationen
Studienangebote
Angewandte Wissenschaften in Brasilien
Hochschulzugang
Sprachvoraussetzungen
Studiengebühren
Individuelle Beratung zu Wissenschaftskooperationen mit Brasilien
Für weitere Informationen

Nach den letzten Erhebungen von 2019 verfügt Brasilien über 2.537 Hochschulen, davon sind 299 öffentlich. 2.238 Hochschuleinrichtungen sind privaten Trägern unterstellt. Von den öffentlichen Hochschulen sind 109 sogenannte Bundeshochschulen (Universidades Federais), deren Haushalt sich aus Bundesmitteln speist; 126 sind von den einzelnen Bundesstaaten finanzierte Hochschulen (Universidades Estaduais). Dazu kommen 61 gemeinnützige, meist von Kirchen oder konfessionellen Gruppen getragene Hochschulen (Universidades Municipais). Die Qualität der öffentlichen Universitäten ist durch regelmäßige Evaluierungen der Coordenação de Aperfeiçoamento de Pessoal de Nível Superior (CAPES) und durch das jährliche Ranking der Folha de São Paulo (RUF) gut dokumentiert.

Insgesamt 2.238 (88 Prozent) der brasilianischen Hochschulen sind gewinnorientierte oder gemeinnützige private Bildungseinrichtungen. Unter den privaten Hochschulen zeichnen sich die sieben forschungsstarken katholischen Universitäten (PUCs) aus. Sie bilden mit hohen Qualitätsstandards und guten internationalen Kontakten die Ausnahme unter den privat finanzierten Universitäten.
Im Land gab es 2019 circa 8,5 Millionen Studierende, davon waren sechs Millionen (rund 75 Prozent) an privaten Hochschulen eingeschrieben. Das ist nur möglich, weil staatliche Studienkredite auch für das Studium an privaten Hochschulen vergeben werden, allerdings in geringerem Umfang als zuvor.

2018 stieg die Zahl der Einschreibungen an öffentlichen Hochschulen im Vergleich zu 2017 zwar um 1,3 Prozent an, aber die Immatrikulationen an privaten Einrichtungen sanken um 3,0 Prozent (letzte Aktualisierung der offiziellen Zahlen nur in 2019). Doch vor allem das Fernstudium wird immer beliebter. Laut den offiziellen Zahlen des brasilianischen Bildungsministeriums haben sich im Jahr 2018 über zwei Millionen (24,3 Prozent) Studierende für ein Fernstudium entschieden. Rückblickend betrachtet bedeutet das einen Anstieg von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser steigende Trend hat durch die im März 2020 beginnende Covid-19-Pandemie einen zusätzlichen Schub erhalten. Mit fast 97.000 eingeschriebenen Studierenden (2019) und sieben Zweigstellen im Bundesstaat São Paulo ist die Universidade de São Paulo (USP), die aus Landesmitteln finanziert wird, die größte und international bekannteste brasilianische Universität.

Alle öffentlichen brasilianischen Hochschulen verwenden mittlerweile ein Quotensystem. Dieses ermöglicht nicht nur Studierenden aus bildungsfernen, armen Bevölkerungsteilen, die ihren Schulabschluss an einer öffentlichen Schule gemacht haben, den Zugang zum Studium, sondern auch den Schülern aus nicht-weißen und indigenen Communities. Ein entsprechendes Gesetz ist seit 2012 in Kraft.

Studienangebote

Die über 2.500 Hochschulen im Land bieten mehr als 35.000 Studiengänge an, davon fast 80 Prozent im grundständigen Bereich. Die Zahlen stammen noch aus dem Jahr 2018, da das brasilianische Bildungsministerium im Jahr 2019 keine Datenerhebung vollzogen hat. Eine Aktualisierung der offiziellen Zahlen ist für Oktober 2020 geplant. Die folgenden Daten stammen aus einer Erhebung des Semesp-Instituts aus dem vergangenem Jahr.

1. Graduação: Nach drei bis fünf Jahren Studium wird der erste akademische Grad verliehen. Bei der kürzeren Studienzeit erwirbt man ein berufsqualifizierendes Diplom. Bei den fünfjährigen Studiengängen Bacharelado oder Licenciatura (Lehramt) erwirbt man Abschlüsse, die den Zugang zu einem postgradualen Studium ermöglichen. In den Ingenieurwissenschaften und der Medizin verlängert sich das Studium durch Praktika (Estágio Profissional) oder Famulaturen (Residência) auf sechs Jahre. Die beliebtesten Undergraduate-Studiengänge in Brasilien sind: Jura (circa 863.000 Studierende), Betriebswirtschaftlehre (circa 433.000 Studierende), Bauingenieurwesen (circa 302.000 Studierende), gefolgt von Erziehungswissenschaften (circa 270.000 Studierende) und Rechnungswesen (circa 227.000 Studierende).

Graduierte können sich in über 6.900 Master- und Promotionsstudiengängen weiterqualifizieren.

2. Mestrado: Der erste postgraduale Abschluss ist der Mestrado (Master). Er wird in der Regel nach zwei Jahren erworben. Im Mestrado müssen Studierende mindestens ein Studienjahr absolvieren, um zu den Masterprüfungen zugelassen zu werden. Danach kann die Masterarbeit angefertigt werden. Eine Alternative zum zweijährigen Mestrado-Studiengang ist ein einjähriges Aufbaustudium (Especialização).

3. Doutorado: Der höchste akademische Grad, der in Brasilien verliehen wird, ist der Doktortitel. Ein Promotionsstudium dauert in der Regel vier Jahre und wird mit der erfolgreichen Verteidigung der Doktorarbeit abgeschlossen. Für die Zulassung als Doktorand ist normalerweise ein Masterabschluss notwendig. In Einzelfällen lassen Universitäten auch Doktoranden mit einem niedrigeren Abschluss zu.

Die Qualität der angebotenen Master- und Promotionsstudiengänge ist von Universität zu Universität sehr unterschiedlich. Die nationale Koordinierungsstelle für die akademische Ausbildung CAPES nimmt regelmäßig die Bewertung der Postgraduierten-Kurse vor. Grundsätzlich sind alle Angebote, die auf der Plattform Sucupira mit den Noten 5, 6 oder mit der Höchstnote 7 bewertet sind, ohne Einschränkung zu empfehlen. Neu eingerichtete Studiengänge erhalten automatisch eine niedrige Note. Hier kann die Qualität durchaus besser sein, als die Note vermuten lässt. Die erste eigentliche Evaluierung erfolgt erst nach vier Jahren. Informationen über alle brasilianischen Hochschullehrer und Forscher sind auf der Plattform Lattes abrufbar.

Hochschulzugang

In den letzten Jahren hat sich das Exame Nacional de Estudantes de Ensino Médio (ENEM) als Hochschulzugangsprüfung durchgesetzt, obwohl verschiedene Hochschulen weiterhin dezentral eine eigene Aufnahmeprüfung (Vestibular) durchführen. Praktisch alle staatlichen Stipendien sind an den Nachweis dieser Prüfung gebunden, trotzdem war die Teilnahme in den vergangenen Jahren deutlich geringer als zuvor. Im Jahr 2018 haben knapp 4 Millionen Studienanwärter an der Prüfung teilgenommen und im darauffolgendem Jahr waren es nur noch 3,7 Millionen Teilnehmer. Planmäßig sollte die ENEM-Prüfung im November 2020 stattfinden. Aufgrund der Pandemie und den damit verbundenen Folgen für Schüler, die für das Lernen auf die technische Ausstattung der Schulen angewiesen sind, haben sich brasilianische Hochschulen und Studierendenvertretungen dagegen ausgesprochen. Letztendlich hat ihr Einsatz zu einer Verschiebung der Prüfung auf Januar 2021 geführt.

Seit 2017 erlaubt eine bestandene ENEM-Prüfung Brasilianern auch den Zugang zu Universitäten in Portugal. Die Nachfrage nach Studienplätzen dort ist seither exponentiell gestiegen.

Studienanfänger aus dem Ausland müssen wie Brasilianer entweder am brasilienweiten ENEM im Oktober teilnehmen oder eine Eingangsprüfung (Vestibular) an der gewünschten Hochschule ablegen, bei der auch Portugiesisch-Kenntnisse verlangt werden (siehe unten). Voraussetzung für das Ablegen beider Prüfungen ist die Anerkennung des deutschen Hochschulreifezeugnisses durch den Staatlichen Ausbildungsrat (Conselho Estadual de Educação), die über das Kultusministerium des Bundesstaates, in dem studiert werden soll, einzuholen ist.

Studienfortsetzer können direkt zugelassen werden. Sie beantragen die Studienberechtigung und die Anerkennung der bisherigen Studienleistungen direkt bei der jeweiligen brasilianischen Hochschule. Die Immatrikulation erfolgt in einzelnen Kursen (matérias isoladas).

Ausländische Graduierte müssen die Anerkennung ihres Hochschulabschlusses über die jeweilige brasilianische Hochschule beim nationalen Erziehungsrat (Conselho Nacional de Educação) beantragen.

Sprachvoraussetzungen

Bereits vor Aufnahme des Studiums sollten die portugiesischen Sprachkenntnisse so gut sein, dass ein ausreichender Wortschatz an Fachbegriffen die mühelose Teilnahme an den Lehrveranstaltungen ermöglicht. Die Veranstaltungen werden – mit wenigen Ausnahmen im Master und Promotionsbereich – ausschließlich in portugiesischer Sprache abgehalten und ein bestandener Sprachtest gehört zu den Zulassungsvoraussetzungen. Immer mehr brasilianische Hochschulen bieten vorbereitende Sprachkurse an. Die nationale Sprachprüfung heißt CELPE-BRAS.

Studiengebühren

An privaten Hochschulen werden generell Studiengebühren erhoben. Die Höhe ist direkt bei den entsprechenden Einrichtungen zu erfragen. Die staatlichen und von den Bundesstaaten getragenen Hochschulen erheben lediglich eine geringe Einschreibegebühr.

Verfasserin: DAAD-Außenstelle Rio de Janeiro

Der DAAD ist in Brasilien mit einem Informationszentrum in São Paulo und einer Außenstelle in Rio de Janeiro vertreten. Darüber hinaus sind neun Lektorate über das Land verteilt.