Ägypten: Erfahrungsberichte von Menschen vor Ort
Schilderungen von Stipendiaten und Mitarbeitern, die für einige Zeit vor Ort leben, studieren und arbeiten, vermitteln einen lebhaften Einblick in das Land.
Mit dem DAAD ins Herz der arabischen Welt
Friederike Fehlig war als Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ein Jahr an der University of Cairo. Dort hat sie „Economy of the Middle East“ studiert und ist in die arabische Sprache und Kultur eingetaucht.
Von: Friederike Fehlig
Stand: 21.08.2016
Schon vor Beginn meines Studiums wusste ich, dass ich Ägypten bereisen möchte. In meiner Vorstellung sah ich mich durch enge, orientalische Gassen schlendern, in denen die Händler ihre Waren anpreisen. Ich wollte alte ägyptische Tempel, Gräber und Pyramiden erkunden und die Weite der Wüste erleben. All das und noch mehr Abenteuer habe ich bekommen!
Lernen auf dem Campus in Kairo
Ziel meines Aufenthalts war es, meine Arabisch-Kenntnisse zu verbessern und das Leben in einer arabisch-islamischen Kultur kennen zu lernen. Deshalb habe ich zwei Semester an der Universität Kairo studiert. Die Vorlesungen waren für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Politische und ökonomische Modelle werden an die Studenten vermittelt, ohne jegliche Kritik oder Schwachpunkte zu nennen. Das politische System oder die wirtschaftliche Lage Ägyptens wurden nie erwähnt oder behandelt. Die allgegenwärtigen Probleme im Land anzusprechen, ist eindeutig nicht erwünscht. Die Ausbildung basiert zum größten Teil auf Auswendiglernen und nicht auf dem Reflektieren der gelernten Inhalte. Die Stimmung unter den ägyptischen Kommilitonen und auf dem Campus war jedoch jeden Tag freudig und ausgelassen und es war leicht, Kontakte zu knüpfen.
Mein Alltag in Ägypten wurde zum Abenteuer
Das ganz normale Chaos. In jedem Viertel Kairos gehören verstopfte Straßen
Das Leben in Kairo ist jeden Tag ein Abenteuer. Die Stadt hat geschätzt 20 Millionen Einwohner. Der Verkehr hat keine Regeln, sondern versinkt täglich aufs Neue im Chaos. Um in Kairo voranzukommen, fährt man am besten Mikrobus. Da es keine Bushaltestellen oder Fahrpläne gibt, muss man sich an den Straßenrand stellen und den vorbeifahrenden Bussen die Geste des Viertels anzeigen, in das man fahren möchte. Wer zum Beispiel nach Gizeh möchte, formt eine Pyramide mit seinen Händen. Denn dort stehen die berühmten Pyramiden. Der nächste Bus, der nach Gizeh fährt, hält an und man wird mitgenommen. Informationen, wo welcher Bus vorbeifährt oder wie die Gesten für die Viertel aussehen, gibt es nicht.
Die einzige Möglichkeit ist, auf der Straße zu fragen und auszuprobieren. Leider scheitert man hier oft an der ägyptischen Höflichkeit. Wer einen Passanten auf der Straße nach dem Weg fragt, erhält immer eine Antwort, auch wenn die Person keine Ahnung hat. Hauptsache man hat geholfen. Alles andere wäre ja unhöflich! So bin ich oft orientierungslos umhergeirrt, aber immer mit der freundlichen Unterstützung zahlreicher Ägypter!
Bazar, Kaffeehaus, Ausflüge: Die Freizeit in Kairo genießen
Friederikes Lieblingsmoschee: die Ibn-Tulun-Moschee in Kairo ist das flächengrößte Gotteshaus Ägyptens.
Wenn ich nicht im Hörsaal saß oder an einer Hausarbeit arbeiten musste, habe ich mich mit Freunden auf die Spuren der Geschichte Kairos begeben. Beim Besuch der zahlreichen, Jahrhunderte alten Moscheen verstummt der Lärm des modernen Kairos und man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. Der 700 Jahre alte Bazar Kairos besteht noch immer aus unendlich vielen kleinen Gassen, in denen sich die Menschen an Teppichen, Stoffen, Leder- und Metallwaren, Schmuck und bunten Papyri vorbei drängen. Abends ist es üblich, bis spät in die Nacht mit Freunden in einem der zahlreichen Cafés zu sitzen, Tee mit Minze zu trinken und Backgammon zu spielen. Das Leben in Ägypten ist stark davon geprägt, möglichst viel Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen. Jeder Ägypter sieht es als seine Pflicht, mich als Ausländerin in Ägypten willkommen zu heißen und zu sich nach Hause zum Essen einzuladen.
Stimmungsvolle Weiten: Begleitet von den Beduinen des Dorfes Sakkara ist Friederike vorbei an den Pyramiden durch die Wüste geritten.
Am Wochenende oder in den Ferien habe ich viele Reisen und Ausflüge unternommen: Die ägyptischen Tempel und Gräber von Luxor und Aswan im Süden von Ägypten zählen zu meinen Highlights. In Ramesseum, in der Nähe der modernen Stadt Luxor, befindet sich ein von Ramses II. erbauter Tempel. Ramses II. gehört zu einem der bedeutendsten Herrscher des Alten Ägypten. Die Hieroglyphen, die wir dort vorfanden, haben eine Höhe von über zwei Ellen und sind damit die größten, die wir finden konnten. Zum Vergleich: Normalerweise haben Hieroglyphen eine Höhe von nur 10 bis 15 cm. Unbedingt sehenswert!
Kontrastprogramm zu Kairo: Dieses Bild ist während eines Urlaubs in der Stadt Dahab, in der Nähe von Sharm el-Sheikh am Roten Meer entstanden.
Genauso beeindruckend war für mich der Ausflug in die Oase Siwa, wo fruchtbare Dattelwälder und warme Quellen auf die libysche Wüste treffen. Dem stickigen Kairo kann man jedoch am besten mit einem Trip ans Rote Meer entkommen. Das glasklare Wasser lockt zahlreiche Taucher und Badegäste an. Die Berge und Canyons laden zum Wandern und Campen ein.
Während meines gesamten Aufenthalts war es mir sehr wichtig, mich an den Alltag der Ägypter mit all seinen Freuden und Strapazen anzupassen und mich zu integrieren. Das Wichtigste, was ich in den zwei Semestern gelernt habe, sind nicht die Vorlesungsinhalte. Vielmehr sind es die vielen neuen spannenden Menschen, die ich hier kennenlernen durfte und natürlich die Lebensfreude und die unendliche Hilfsbereitschaft der Ägypter. Selbst in den aussichtslosesten Situationen haben sie mir immer Beistand geleistet. Diese Erfahrungen wünsche ich allen Studierenden da draußen und möchte ich niemals missen.
Weitere Berichte:
- DAAD-Lektor Michael Fisch berichet aus Kairo
- Netzwerkkonferenz 2016 > Bericht der Außenstelle Kairo: Ägypten und Sudan
Erfahrungsberichte:
- Universität Frankfurt > Erfahrungsberichte über einen Studienaufenthalt in Kairo
- Uni Hamburg > Erfahrungsbericht über einen Sprachkurs in Alexandria
- Uni Bremen > Erfahrungsberichte über ein Lehramtspraktikum in Mansoura
- Uni Halle-Wittenberg > Erfahrungsbericht aus Ägypten
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Praktikaberichte IAESTE LC Erlangen
- Correspondents-Erlebnisse der Kampagne "studieren weltweit – ERLEBE ES!"
- Correspondent-Bericht aus Kairo - Febr. 2019 bis März 2020