Was bedeutet der Ausgang der US-Wahl 2024 für den transatlantischen Austausch im akademischen Feld? Wie positioniert sich Deutschland im Rahmen seiner Außenwissenschaftspolitik? Und wie nehmen US-amerikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Hochschulmitarbeitende den durch das Wahlergebnis herbeigeführten starken politischen Umschwung im eigenen Land wahr? Diesen Fragen widmete sich das DAAD-Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen mit dem KIWi Policy Talk „Navigating Transatlantic Science Relations: Opportunities and Challegenes after the US Election“ am 08. November in Berlin.
Young-Kee Kim ist Forscherin an der University of Chicago. Die in Südkorea geborene US-Amerikanerin gehört zu den Besten ihres Fachs, hat in Berkeley gelehrt und war dort stellvertretende Direktorin des Fermilab, eines der weltweit renommiertesten Forschungszentren für Teilchenphysik. Wenn sich jetzt, nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten, viele Sorgen um die Kürzung von Forschungsgeldern machen, bleibt Kim bezüglich ihres eigenen Forschungsfelds entspannt. „Es basiert auf einem internationalen Netzwerk aus etablierten Institutionen, deren Finanzierung auf Jahrzehnte ausgelegt und gesichert ist.“ Trotzdem sei sie nach dem Wahlabend am 06. November aufgewacht und habe sich geschworen: „Ich muss aktiv werden. Ich lebe als Wissenschaftlerin in einer Gesellschaft, in der Wissenschaft immer stärker infrage gestellt wird.“
Zusammen mit dem DAAD-Präsidenten Joybrato Mukherjee, Anette Gray, Associate Vice Provost for Research Planning and Analysis an der New York University (NYU), und Ralf Beste, Abteilungsleiter für Kultur und Gesellschaft im Auswärtigen Amt, diskutierte die Wissenschaftlerin im Rahmen des KIWi Policy Talks „Navigating Transatlantic Science Relations: Opportunities and Challenges after the US Election“ am 08. November auf dem Falling Walls Science Summit in Berlin die Implikationen des US-Wahlausgangs für den transatlantischen akademischen Austausch. Möglichkeiten für ein persönliches Engagement gegen eine zunehmende Wissenschaftsskepsis sieht Kim nicht unbedingt im Bereich der Politik, sondern schlicht darin, Forschung besser zu erklären und deren Vorteile für die Gesellschaft herauszustellen. „Besonders in der Grundlagenforschung braucht es manchmal Jahrzehnte, bis deren konkreter Nutzen im Alltag der Menschen ankommt.“
Fördermittel diversifizieren
Auch Annette Gray erwartet keine drastischen Einschränkungen durch die kommende Trump-Administration. Allerdings sei zu betonen, dass die US-Hochschulen weit abhängiger von staatlichem Geld sind, als man das vor allem aus deutscher Perspektive gemeinhin annimmt. „Es stimmt, wir finanzieren uns zu einem größeren Anteil über Studiengebühren, aber diese sind abhängig von staatlichen Zuschüssen. Und im Forschungsbereich stammen immerhin 60 Prozent der Förderung aus staatlichen Töpfen.“ Die Regierung habe durchaus Möglichkeiten, Universitäten finanziell unter Druck zu setzen, etwa durch das Vorenthalten von Steuervergünstigungen. Es sei deshalb wichtig, die eigenen Einnahmequellen stärker zu diversifizieren, so Gray. „Die Voraussetzungen hierfür sind nicht schlecht. Universitäten werden etwa von privaten Spendern unterstützt. Und es gibt zunehmend Angebote der Industrie, im Bereich der Forschung zusammenzuarbeiten.“
Aber was tun, wenn die neue US-Regierung im Zuge einer härteren Immigrationspolitik die Vergabe von Visa beschränkt? Einerseits wäre das natürlich ein Problem. Andererseits sei die USA besonders im zukunftsträchtigen MINT-Bereich so abhängig von internationaler akademischer Mobilität, dass Maßnahmen zulasten ausländischer Spitzenforscherinnen und -forscher nicht so einfach Zustimmung in der republikanischen Partei finden würden. „Allein in New York sind 70 Prozent der Postdocs international. Wir an der NYU agieren global. Eines unserer Hauptziele ist es, allen unseren Studierenden die Möglichkeit zu geben, vor ihrem Abschluss Erfahrungen außerhalb der USA zu sammeln. Internationalisierung ist in unsere Institutionen, in unsere akademische Kultur eingeschrieben.“
Kooperationen intensivieren
Natürlich: Ganz ohne negative Effekte würden solche Einreisebeschränkungen nicht bleiben. Der DAAD als weltweit größte internationale Förderorganisation für akademische Mobilität sei sich dessen sehr wohl bewusst, räumte Präsident Joybrato Mukherjee ein. „Das würde sich dann zwar unmittelbar auf unsere Arbeit auswirken – aber eventuell auch neue Chancen eröffnen.“ Eventuell könne Deutschland so zum Beispiel die eine oder andere Forscherin oder den einen oder anderen Forscher dazugewinnen. Nach den aktuellen Zahlen in der jährlichen DAAD-Publikation „Wissenschaft weltoffen“ sei Deutschland bereits das zweitattraktivste Land für internationale Forscherinnen und Forscher sowie das drittattraktivste Land für internationale Studierende und Promovierende. „Es gibt für uns überhaupt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken“, so der DAAD-Präsident. Zumal die USA auch unter Trump eines der wichtigsten Partnerländer bleiben werden. „Unsere Aufgabe wird es in Zukunft auch sein, uns resilienter zu zeigen und unabhängiger von einzelnen Regierungskonstellationen zu agieren. Wir sind kein passives Objekt anderer Staaten und Regierungen, sondern aktives Subjekt, das seine Interessen mittels eigener Handlungsoptionen vertreten kann.“
Genau diesen Punkt unterstrich auch Ralf Beste vom Auswärtigen Amt. Zum einen müsse man das klare Ergebnis einer demokratischen Wahl akzeptieren und nicht in Panik verfallen, bevor sich eindeutige politische Wirkungen zeigen. Und auch dann habe man Optionen, entsprechend zu reagieren. Selbst wenn die neue Regierung einen Vorschlag des berüchtigten konservativen Strategiepapiers „Project 2025“ wahr macht und das US-Bildungsministerium auflöst. „In diesem Fall werden wir eben mit einem anderen Gegenüber verhandeln.“ Zum anderen stehen Mittel und Wege zur Verfügung, die deutsche Außenwissenschaftspolitik resilienter gegenüber hemmenden Maßnahmen zu machen. „Wir möchten in die gesamte Breite der amerikanischen Gesellschaft hineinwirken – insbesondere, um zu verstehen, welche gesellschaftlichen Veränderungen gerade ihre Wirkung entfalten.“ Dies könne durch eine tiefere Vernetzung der transatlantischen Kooperationen im ganzen Land geschehen, auch jenseits der Ost- und Westküste.
Dabei war Beste wichtig, zu betonen: Dieser Prozess ist bereits im Gange. Die Herausforderungen, auf die man damit reagiere, bestehen auch heute schon, unter der Biden-Administration. Die German Studies Association beklage bereits seit Längerem, wie schwierig es für Dozierende im US-Bildungssystem sei, das Interesse an deutscher Literatur, Geschichte und Kultur in unterschiedlichen Studiengängen aufrechtzuerhalten. Auf einer Konferenz der Organisation in Atlanta im September 2024 hatte Beste die Gelegenheit, sich mit vielen Lehrenden auszutauschen. „Ich habe dort von einigen Stellen gehört, wie hart man inzwischen arbeiten müsse, um das Interesse an Forschung und Bildung in Bezug auf Deutschland hochzuhalten.“ Derselben Ansicht war auch Annette Gray: „Ich denke, wir werden es unter Donald Trump zum Teil mit Schwierigkeiten zu tun haben, vor denen die Hochschulbildung, die Forschung und die transatlantische Zusammenarbeit bereits heute stehen.“
Keine Angst vor Kürzungen
Viele Beobachterinnen und Beobachter des US-Bildungssystems befürchten Rückschritte bei den Themen Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion. Anlass zur Sorge geben unter anderem die Äußerungen Donald Trumps, Bundesmittel für Universitäten zu kürzen, die Programme zu Themen wie Critical Race Theory oder Gender Studies anbieten. Auch wenn dieses Risiko für einzelne Studiengänge natürlich bestehe, sei sie insgesamt zuversichtlich, so die Wissenschaftlerin Young-Kee Kim. Das Thema Gleichstellung werde nicht von der Agenda einer wie auch immer gearteten Bildungspolitik der neuen Regierung verschwinden: „Allen politischen Akteuren ist klar: Wir brauchen internationale Arbeitskräfte, um zukunftsfähig zu sein. Hier gibt es vor allem unter Minderheiten ein riesiges Potenzial, das wir noch ausschöpfen können. Ein höherer Anteil an Frauen oder beispielsweise hispanischen Einwanderern, etwa im MINT-Bereich, ist also ein Wirtschaftsfaktor. Das wird auch eine neue Trump-Regierung nicht ignorieren können.“
Insgesamt war sich die Runde einig: Trotz aller Herausforderungen bietet der Regierungswechsel im Weißen Haus die Chance, sich intensiver mit der neuen, gesellschaftlichen Realität in den Vereinigten Staaten auseinanderzusetzen. Es gelte, die klare, demokratische Entscheidung für die Positionen der Republikaner zu akzeptieren und die Zusammenarbeit mit den USA weiter zu intensivieren. Das gelinge dann am besten, wenn man weiß, welche Themen die Menschen gerade besonders bewegen. „Wir können gerade durch den Austausch von jungen Menschen und über die internationale Kooperation in wissenschaftlichen Projekten mit einem gemeinsamen Interesse dafür sorgen, dass wir uns besser verstehen“, so DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee.
Text und Protokolle: Klaus Lüber (17. Dezember 2024)