Ummu Salma Bava

Sie hat sich der transkontinentalen Zusammenarbeit verschrieben: Ummu Salma Bava, Professorin für Europastudien an der Jawaharlal Nehru University (JNU) in Neu-Delhi. Den Grundstein für ihre vielfältige akademische Kooperation legte die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und Inhaberin des Jean-Monnet-Lehrstuhls der Europäischen Kommission vor mehr als 30 Jahren mit einem DAAD-Kurzzeitstipendium, das sie nach Deutschland führte.

Interview: Christina Pfänder

Frau Bava, Sie sind Professorin für Europastudien an der JNU in Neu-Delhi. Warum ist die europäisch-indische Zusammenarbeit gerade in diesen Zeiten besonders wichtig?

In den letzten Jahren erleben wir massive geopolitische Verschiebungen und wachsende Machtkonflikte. Damit stellt sich die zentrale Frage: Wie können Staaten angesichts dieser Situation effektiv zusammenarbeiten? Deutschland und Indien blicken auf 70 Jahre diplomatische Beziehungen und 25 Jahre strategische Partnerschaft zurück – und ihre Kooperationen gewinnen in Politik, Wirtschaft, Sicherheit und im zwischenmenschlichen Austausch zunehmend an Bedeutung.

Welche Themen stehen bei der Zusammenarbeit besonders im Mittelpunkt?

Schwerpunkte liegen beispielsweise im Bereich des Klimaschutzes, einer grünen und gerechten Energiewende, digitaler Konnektivität und Wirtschaft, Verteidigung und Migration sowie in der Bildung, Innovation und Produktion. Europa und Indien sollten mit gemeinsamen Visionen und Ideen eine führende Rolle übernehmen und Lösungen für globale Herausforderungen entwickeln. Mit meiner Forschung möchte ich zu dieser transkontinentalen Partnerschaft beitragen: Als Stipendiatin des Mercator Fellowship bin ich derzeit für drei Monate in Berlin und analysiere gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Deutschland und anderen europäischen Ländern die Beziehungen zwischen Indien und Europa. Dabei wird deutlich, dass die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen die Chance für ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU bieten. Davon würden beide Seiten profitieren – Indien hat angesichts seiner vielfältigen und weltweit größten Bevölkerung sowie als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften enormes Potenzial. Auch im Bildungssektor sollte Indien noch stärker in den Fokus der europäischen Länder rücken.

Seit 2017 haben Sie den Jean-Monnet-Lehrstuhl der Europäischen Kommission inne. Auf welche Schwerpunkte Ihrer Arbeit und Forschung konzentrierten Sie sich dabei?

Der Jean-Monnet-Lehrstuhl ist eine Auszeichnung der Europäischen Kommission für Expertise zur Europäischen Union. Ich erhielt diesen Lehrstuhl an meiner Heimuniversität für mein Forschungsprojekt „European Union, Security, Peace and Conflict Resolution (EU-SPCR)“, das die EU als Sicherheitsakteur im Kontext von Frieden und Konfliktlösung untersuchte. Der Lehrstuhl bringt dabei nicht nur Lehrverpflichtungen mit sich, sondern auch eine Reihe von Veranstaltungen, Vorlesungen und Konferenzen, die sich mit der Rolle der Europäischen Union als Sicherheitsakteur beschäftigen – ein Thema, das angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklungen stark an Bedeutung gewonnen hat. Neben dem Lehren liegt mein Fokus auf der Forschung zu Deutschland, Indien und der EU. Dabei beschäftige ich mich vor allem mit Außen- und Sicherheitspolitik, globaler Governance, Friedens- und Konfliktforschung sowie Hochschulbildung.

Im Jahr 2012 erhielten Sie das Bundesverdienstkreuz für Ihre Beiträge zur deutsch-indischenPartnerschaft. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?

Ich habe meine Arbeit nie mit dem Ziel verfolgt, eine Auszeichnung zu erhalten. Umso mehr schätze ich daher das Bundesverdienstkreuz – als Anerkennung meines Engagements, Menschen zu verbinden, Netzwerke für kommende Generationen zu schaffen und Brücken in den bilateralen Beziehungen zu stärken. So habe ich beispielweise einen meiner Doktoranden der eine Behinderung hat und zuvor noch nie ins Ausland gereist war, darin unterstützt, in Deutschland Feldforschung zu betreiben – ein Wendepunkt in seinem Leben. Auch über die Universität hinaus begleite und betreue ich weiterhin junge Menschen, die in Deutschland studieren möchten. Zudem ist meine Fakultät seit zwei Jahrzehnten die einzige in Indien, die einen Graduiertenkurs zum politischen System und zur Außenpolitik Deutschlands anbietet; mit deutschen Parlamentariern und politischen Entscheidungsträgern, die nach Indien zu Besuch kommen, tausche ich mich regelmäßig zu den deutsch-indischen Beziehungen aus.

Besonders bewegt mich das Vertrauen, das Deutschland in mich setzt, und die Verantwortung, die ich für die deutsch-indischen Beziehungen trage. Die Auszeichnung ist für mich auch ein Ansporn, mich weiterhin auf akademischer und politischer Ebene einzubringen. Eine besondere Ehre war für mich die Einladung der deutschen Botschaft in Neu-Delhi, die Podiumsdiskussion zu moderieren, als Bundeskanzler Olaf Scholz 2023 die Stadt besuchte.

Im Jahr 1994 recherchierten Sie als DAAD-Stipendiatin an der Freien Universität Berlin sowie an den Universitäten Hamburg, Bonn und Heidelberg für Ihre Dissertation. Welche Momente sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Der Aufenthalt war von großem Wert für mich, da ich mich in meiner Dissertation mit der zeitgenössischen deutschen Außenpolitik beschäftigte – in einer Zeit, in der in Indien kein Online-Zugang zu Fachliteratur existierte. Dank des Stipendiums bekam ich die Gelegenheit, viele Expertinnen und Experten zu treffen, Literatur zu sammeln und wichtige Einblicke aus verschiedenen politischen Perspektiven zu gewinnen. Zudem war es beeindruckend, Deutschland nicht nur aus akademischer Sicht, sondern auch aus menschlicher Perspektive zu erleben: Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung hat mich positiv überrascht. Darüber hinaus konnte ich während meines Aufenthalts wertvolle Freundschaften schließen – eine davon besteht mittlerweile seit 31 Jahren mit meiner ältesten Freundin Barbara.

Inwieweit hat das DAAD-Stipendium Ihre weitere Karriere beeinflusst?

Das DAAD-Stipendium hat nicht nur meine Forschung maßgeblich gefördert, sondern auch langfristige Verbindungen zu Institutionen, Hochschulen und Menschen in Deutschland geschaffen. Mir gelang es, meine Expertise über Deutschland und Europa zu erweitern und zahlreiche Forschungskooperationen zu etablieren. Besonders enge Partnerschaften habe ich mit der Freien Universität (FU Berlin) aufgebaut; viele meiner Doktorandinnen und Doktoranden haben in den letzten 15 Jahren dort ihre Forschungsprojekte realisiert. Außerdem führte das DAAD-Programm New Passage to India zu einer zehnjährigen Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg. Diese Kooperationen und das von mir gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen erfolgreich initiierte Deutsch-Indische Partnerschaftsprojekt wären ohne die Unterstützung des DAAD nicht möglich gewesen.

Wie inspirieren Sie Ihre Studierenden dazu, ein Auslandssemester zu absolvieren?

Letztlich ist die Entscheidung, im Ausland zu studieren, eine persönliche, die jedoch eine gründliche Planung und erhebliche Anstrengungen erfordert. Ich arbeite bereits ab dem ersten Jahr mit Masterstudierenden zusammen, um ihnen Möglichkeiten für einen Auslandsaufenthalt aufzuzeigen. Dabei organisiere ich regelmäßig Informationsveranstaltungen in Kooperation mit dem DAAD, berate die Studierenden, wie sie das DAAD-Portal optimal nutzen können, und vernetze sie mit Professorinnen und Professoren in Deutschland. Für meine Promovierenden suche ich aktiv nach Stipendien und Forschungsförderungen, die es ihnen erlauben, Feldforschung in Europa oder Deutschland zu betreiben und ihr Wissen zu vertiefen.