„Internationale Studierende bereichern unser Land“

Andreas Jentsch während einer Beratungssituation an der Ruhr-Universität Bochum.

Internationale Studierende sind nicht nur eine Bereicherung an Hochschulen und später in Unternehmen, sondern sie haben eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung für Deutschland. Das belegt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des DAAD auf beeindruckende Weise. Internationale Studierende leisten demnach im Lauf ihres Erwerbslebens deutlich höhere Beiträge für das Gemeinwesen, als Deutschland für ihr Studium und darüber hinaus investiert hat. Doch was sagen Hochschule und Wirtschaft dazu? Das DAAD Journal hat mit dem Hochschulvertreter Andreas Jentsch von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und dem Start-up-Unternehmen Lidrotec darüber gesprochen.

Herr Jentsch, wodurch zeichnen sich internationale Studierende aus?

Andreas Jentsch: Bei internationalen Studierenden handelt es sich natürlich um eine heterogene Gruppe, von der türkischen Sozialwissenschaftlerin über den indischen Ingenieur oder den irakischen Informatiker haben wir an der RUB alles dabei. Was alle eint, ist der Mut, das eigene Land zu verlassen, um in Deutschland akademisch und beruflich erfolgreich zu sein. Oft bringen sie die dafür notwendige Motivation, Resilienz, Transformationsbereitschaft und Innovationskraft bereits mit, was sie neben ihrer fachlichen Qualifikation und manchmal erst noch zu erlernenden Sprachkenntnissen interessant für deutsche Arbeitgebende macht.
Gemäß der kürzlich veröffentlichten IW-Studie spielen internationale Studierende nach ihrem Abschluss das Achtfache der Kosten wieder ein. Sie bereichern unser Land aber nicht nur wirtschaftlich, sondern auch wissenschaftlich, gesellschaftlich und kulturell.

Andreas Jentsch ist Projektkoordinator im Projekt „Förderung internationaler Talente (FIT) ohne Grenzen“ an der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

Warum lohnt es sich, internationale Studierende beim Studium und dem Einstieg in den Beruf zu unterstützen? Wie kann diese Unterstützung aussehen?

Meiner Erfahrung nach kann bereits eine kleine unterstützende Maßnahme einen enorm positiven Impact auf die Jobsuche internationaler Studierender haben, zum Beispiel, indem man sie darauf hinweist, welche formalen Anforderungen beim Erstellen eines Lebenslaufs zu beachten sind oder wie wichtig es ist, die Deutschkenntnisse zu verbessern. Wir vermitteln ihnen arbeitsmarktrelevantes Wissen, coachen sie, bereiten sie auf Unternehmenskontakte vor, stellen diese her und vieles mehr.

Welchen Beitrag leisten internationale Studierende und Angestellte zur Schaffung weltweiter Partnerschaften und Netzwerke sowie der Internationalisierung der Hochschule und Wissenschaft?

Nun, für ein weltweites Netzwerk braucht es Menschen, die offen sind für eine andere Perspektive. Internationale Studierende und Alumnae und Alumni bringen dieses Mindset mit, zudem aber auch noch Kontakte aus ihren Herkunftsländern. Wir tun gut daran, an unseren Hochschulen mit strategischem Blick viele Berührungspunkte zu kreieren, an denen individuelle wie übergreifende Netzwerke entstehen können. Bei der Schaffung von gemeinsamen Räumen für nationale und internationale Studierende gibt es meines Erachtens ebenfalls noch nicht genutzte Potenziale. Zudem gilt (nicht nur für die Wissenschaft): Internationale Teams arbeiten nachweislich erfolgreicher.

Warum ist auch der Beitrag von Hochschulen und Wirtschaft selbst bei der Ausbildung von Fach- und Führungskräften wichtig, die später in ihre Herkunftsländer zurückkehren oder weiterziehen?

Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass Menschen ihr gesamtes Erwerbsleben in einem Land verbringen, insbesondere, wenn sie bereits für ein Studium ihre Heimat verlassen haben. Selbst wenn eine internationale Alumna nur vier Jahre in Deutschland bleibt und dann zurückkehrt, hat sie erstens bei durchschnittlichem Verdienst mehr Steuern gezahlt als gekostet und wird zweitens immer einen besonderen Bezug zu unserem Land und ihrer hiesigen Hochschule haben. Dieses Mindset und der akademische „brain circle“ sind ein fruchtbarer Boden für erfolgreiche internationale Partnerschaften, sei es für Unternehmen oder Hochschulen. Wir gewinnen, wenn die Zielgruppe in Deutschland bleibt, wir gewinnen aber auch, wenn sie das Land wieder verlässt.

Sarah Kanning (30. April 2025)