Ukraine digital: Förderung aus Spendenmitteln für 2025
Das DAAD-Programm Ukraine digital – Studienerfolg in Krisenzeiten sichern unterstützt deutsch-ukrainische Hochschulkooperationen, die dazu dienen, das Lehrangebot in der Ukraine während des Kriegs mit digitalen Mitteln weiterzuführen. Die derzeitige Förderung läuft bis Ende 2024. Nun ist der Fortbestand von insgesamt fünf Projekten auch für 2025 gesichert. Der DAAD wird dafür insgesamt 850.000 Euro Spendengelder von der Harald Christ Stiftung für Demokratie und Vielfalt sowie der ZEIT Verlagsgruppe einsetzen.
Das ukrainische Hochschulsystem leidet nach wie vor unter den Auswirkungen des Kriegs: Viele Lehrende sind geflüchtet, Vorlesungen und Seminare werden sehr häufig durch Luftalarme gestört, auch werden Hochschulgebäude bei Angriffen beschädigt. Die Bedeutung digitaler Lehrangebote ist deshalb weiterhin sehr groß.
Das DAAD-Programm Ukraine digital – Studienerfolg in Krisenzeiten sichern ermöglicht deutschen Hochschulen seit Juni 2022, Partnerhochschulen in der Ukraine bei der digitalen Lehre zu unterstützen. „Dank dieser Hilfe können wir trotz der Schwierigkeiten die hohe Qualität der Ausbildung in Zeiten des Kriegs aufrechterhalten“, sagt Dr. Andrii Pirozhok von der National University „Zaporizhzhia Polytechnic“ (ZPNU), die nur wenige Kilometer von der Front entfernt liegt. Im Rahmen des Programms bietet die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) gemeinsam mit der ZPNU, der Odessа Polytechnic National University (ONPU) und der Cherkasy State Technological University (CHSTU) ein breites Spektrum digitaler Kurse in Elektrotechnik an. Alle Lerninhalte sind über eine Website in ukrainischer Sprache frei zugänglich und jederzeit abrufbar – ein wesentlicher Aspekt, da gemeinsames Online-Lernen in der Ukraine aufgrund von kriegsbedingten Stromausfällen und Internetstörungen oft nicht möglich ist.
Hohe Reichweite
„Ukraine digital hat eine enorm hohe Reichweite“, sagt DAAD-Referent Tilman Fietz-Bockard. Die Zahl der beteiligten ukrainischen Hochschulen ist kontinuierlich auf mittlerweile 89 gestiegen. Bisher wurden rund 2.200 Online-Kurse angeboten, die Zehntausende von Studierenden erreichten. Fast 1.600 Lehraufträge wurden vergeben, vornehmlich an ukrainische Lehrende, und rund 5.200 Stipendien für Studierende bewilligt. Unter ihnen sind zahlreiche Binnenflüchtlinge, also Menschen, die innerhalb ihres Heimatlands vor Konflikten Zuflucht suchen. „Viele ukrainische Studierende stehen unter großem finanziellen Druck und könnten ohne die Stipendien ihr Studium nicht fortsetzen“, sagt Fietz-Bockard.
Gefördert werden auch fachliche und didaktische Fortbildungen für Lehrende. Obwohl das Programm auf unmittelbare Nothilfe abzielte, habe es die Weiterentwicklung der Lehre an ukrainischen Hochschulen vorangebracht, meint Fietz-Bockard – sowohl didaktisch als auch fachlich: „Zum einen haben sich ukrainische Lehrende beispielsweise zum kompetenzbasierten asynchronen Lernen oder zur Nutzung von Online-Tools weitergebildet und ihre Kurse entsprechend angepasst; zum anderen sind neue Inhalte in die Curricula eingeflossen.“
Virtuelle Labore
So wurde beispielsweise an allen drei ukrainischen Partnerhochschulen der HWR Berlin ein neues Modul „Erneuerbare Energien“ eingeführt. „Die Zusammenarbeit hat den Lehrplan unserer Universität erheblich verbessert, sodass er nun internationalen Standards entspricht. Das erhöht die Wettbewerbsfähigkeit unserer Absolventinnen und Absolventen auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Andrii Pirozhok. Außerdem wurden virtuelle Labore eingerichtet, die es Studierenden ermöglichen, am heimischen PC elektrische Antriebe in verschiedenen Konstellationen zu untersuchen. „Laborarbeit ist in den Ingenieurwissenschaften immens wichtig“, sagt der Leiter des Projekts, Professor Juriy Plotkin von der HWR Berlin. 2023 konnte zusätzlich ein Labor für mikroprozessorgesteuerte Antriebe in Odessa eröffnet werden, das mit echten Anlagen verbunden ist, die die Studierenden über das Internet steuern. Weil die virtuelle Laborarbeit ein tieferes Verständnis der Materie fördere, werde man sie auf Dauer beibehalten, so Plotkin.
Auch das Projekt „Ukrainian-German Teaching Network for a Digital Transformation of Environmental Education“ der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) hat die Weiterentwicklung der Lehre an den mittlerweile zwölf ukrainischen Partnerhochschulen gefördert. Den Anstoß gaben nach Eberswalde geflüchtete Lehrende der National Transport University (NTU) in Kyjiw und des Technical Institute of Forestry (UNFU) in Lviv, unter ihnen die Projektkoordinatorin Ass.-Professorin Yuliia Nikitchenko. Bis heute wurden in dem Projekt 17 umweltwissenschaftliche Online-Kurse entwickelt, zehn davon allein in diesem Jahr. Einige seien auch für Studierende anderer Fachrichtungen interessant, meint Nikitchenko: „Die ukrainische Industrie hat bei der ökologischen Transformation noch einen weiten Weg vor sich, es gibt daher einen hohen Bedarf an Fachkräften in dem Bereich.“
„Für den Wiederaufbau der Ukraine ist es unerlässlich, Bildung und Wissenschaft bei allen Wiederaufbauplänen mitzudenken.“
Dr. Kai Sicks, DAAD-Generalsekretär
850.000 Euro Spendengelder
Bis heute haben rund 200 ukrainische Dozentinnen und Dozenten an Workshops und Webinaren der HNEE zu digitalen Konzepten und Werkzeugen teilgenommen – teils in Eberswalde, teils online. Dieses Wissen geben sie in Informationsveranstaltungen und Schulungen an ihren jeweiligen Hochschulen weiter: „Viele Lehrende an den Partnerhochschulen zeichnen ihre Vorlesungen heute systematisch auf Video auf. Einige produzieren Podcasts mit Expertinnen und Experten, um den Studierenden Inhalte aus der Praxis zu vermitteln“, sagt Nikitchenko. „Wir diskutieren regelmäßig über Möglichkeiten, die Online-Lernerfahrung zu verbessern.“ Durch das Projekt sei ein vertrauensvolles Netzwerk entstanden, das eine gute Grundlage für künftige Kooperationen biete. Auch andere Hochschulen, die im Rahmen von Ukraine digital kooperieren, streben eine dauerhafte Zusammenarbeit an, sagt Tilman Fietz-Bockard vom DAAD: „Das Programm hat zu einer stärkeren Vernetzung der ukrainischen Hochschulen geführt, sowohl innerhalb des Landes als auch international.“
Die Förderung durch Ukraine digital ist bis Ende 2024 geplant. Nun ist der Fortbestand von fünf Projekten – darunter die der HNEE und der HWR Berlin sowie Kooperationen der Technischen Universität Chemnitz, der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) und der Technischen Hochschule Wildau – auch im kommenden Jahr gesichert: Der DAAD wird dafür insgesamt 850.000 Euro Spendengelder von der Harald Christ Stiftung für Demokratie und Vielfalt sowie der ZEIT Verlagsgruppe einsetzen. Dank dieser Mittel könnten die Projekte ihre engagierte Arbeit weiterführen, sagt DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks: „Für den Wiederaufbau der Ukraine ist es unerlässlich, Bildung und Wissenschaft bei allen Wiederaufbauplänen mitzudenken. Der Weg der Ukraine nach Europa führt gerade auch über Wissenschaft und Hochschulkooperationen.“
Miriam Hoffmeyer (16. August 2024)