DAAD Klimaportfolio (3/3): Klimawissen anwenden

Windkraftanlage in Brasilien

Internationale Wissenschaftskooperationen erweitern das Wissen über Ursachen und Lösungen des Klimawandels und spielen damit eine zentrale Rolle für die Erreichung der klima- und umweltpolitischen Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Das DAAD-Klimaportfolio zeigt, wie der DAAD mit seinem Förderangebot die internationale Zusammenarbeit stärkt und für Individuen und Institutionen über Fachdisziplinen und Ländergrenzen hinweg in drei Handlungsfeldern aktiv ist: die Förderung von Wissenserwerb (1), Stärkung von Klimaforschung (2) und Anwendung von Klimawissen (3).

Der vorliegende Beitrag ist der dritte Teil einer dreiteiligen Artikelserie und widmet sich dem dritten Handlungsfeld: der Anwendung von Klimawissen. Ein Paradebeispiel dafür ist das Kooperationsprojekt der Hochschule Anhalt mit der Päpstlichen Katholischen Universität Rio de Janeiro zum Aufbau eines Zentrums für Grünen Wasserstoff im brasilianischen Pecém nahe der Millionenstadt Fortaleza.

Wenn José Tavares Araruna über Grünen Wasserstoff spricht, kommt der Professor für Bau- und Umweltingenieurwesen ins Schwärmen. „Das Potenzial ist riesig“, sagt Araruna, der an der Päpstlichen Katholischen Universität Rio de Janeiro forscht und lehrt. „Wir können die Wirtschaft sauberer machen und Treibhausgasemissionen reduzieren. Und wir können auch Wohlstand schaffen.“

Der Experte für Umweltverträglichkeitsprüfungen hat gerade – in Kooperation mit der Hochschule Anhalt – das Projekt „Development of a Life Cycle Analysis of Green Hydrogen Plants“ durchgeführt. Gemeinsam mit seinen deutschen Kolleginnen und Kollegen reiste Araruna in den Bundesstaat Ceará im Nordwesten Brasiliens, wo rund um den Hafen Pecém nahe der Millionenstadt Fortaleza ein großes Zentrum für Grünen Wasserstoff Gestalt annimmt. Die Forscherinnen und Forscher sprachen mit Behörden und Unternehmen aus Industrie und Wasserwirtschaft. Sie sammelten Daten, um die Klimaauswirkungen zu analysieren, die mit der Produktion von Grünem Wasserstoff vor Ort einhergehen. Und sie erarbeiteten eine Datenbank. Sie gibt den brasilianischen Behörden ein gutes Instrument an die Hand, um ein effizientes Umweltmanagement zu gewährleisten – damit das große Potenzial, von dem Araruna spricht, auf möglichst nachhaltige Weise gehoben werden kann.

Transfer von Klimawissen in die Gesellschaft

Gefördert wurde das Projekt bis Ende 2023 vom DAAD mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Es ist Teil des Programms Deutsch-Brasilianische Forschungskooperationen im Energiesektor – NoPa 2.0, an dem auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beteiligt ist. „Es gibt verschiedene Elemente, die wir in unserem Klimaportfolio fördern möchten- Eines der Themenfelder ist der Transfer, die Nutzung von Klimawissen in die Gesellschaft, die Wirtschaft und in die Politik hinein“, erläutert Niels Böhm vom Team Nachhaltige Entwicklung des DAAD. „Dafür ist dieses Projekt ein sehr gutes Beispiel: Forschungsbasierte Erkenntnisse, in diesem Fall Datenbanken, bereitgestellt, damit das Wissen über die Hochschulen hinaus von der breiteren Gesellschaft genutzt werden kann.“

Brasilien will in den kommenden Jahren in großem Stil Grünen Wasserstoff produzieren – und auch exportieren. Das soll die wirtschaftliche Entwicklung des Landes fördern und kann anderen Ländern helfen, klimafreundlicher zu wirtschaften. Die großen Mengen an grünem Strom, die für diese Pläne nötig sind, will Brasilien künftig auch durch Offshore-Windparks erzeugen. Die Regierung in Brasilia hat kürzlich den Weg dafür frei gemacht. Bislang nutzt das Land seine gigantische Küstenlinie noch nicht für Windenergie auf See. „Der Nordwesten Brasiliens ist für Offshore-Windenergie von besonderem Interesse, vor allem der Bundesstaat Ceará“, sagt José Araruna, der selbst aus dieser Region stammt und die dortigen Bedingungen gut einschätzen kann. „Ceará gehört zu den am wenigsten entwickelten Regionen des Landes, aber wir können in Zukunft mehr Energie produzieren, als wir brauchen – und dann daraus Wasserstoff gewinnen.“

Eine Million Tonnen Wasserstoff pro Jahr

„Wenn man Grünen Wasserstoff produziert, muss man auf die Region achten, da kann die ganze Wertschöpfungskette ganz anders aussehen, obwohl jeder dieselbe Technologie verwendet. Die Gegebenheiten vor Ort sind eben unterschiedlich“, sagt Sven Ortmann vom Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Anhalt. Im Rahmen des Projekts reiste er mehrmals nach Brasilien. „Wir haben geschaut, wie würde das laufen, und wir haben berechnet, was gut und was nicht gut funktioniert.“ Günstig sind etwa die klimatischen Bedingungen in Ceará. „Es gibt dort einen sehr stetigen Wind vom Meer her“, erzählt Ortmann. „So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt, dass der Wind ständig aus derselben Richtung kommt.“ Auch Solarenergie könnte genutzt werden, sagt Ortmann. „Aber während der Regenzeit gibt es zu viele Wolken, das ist nicht günstig. Der Wind hingegen ist stabil und zuverlässig.“

Dazu kommt, dass in der Region um das geplante große Wasserstoff-Zentrum bereits ein Windkraftanlagen-Hersteller ansässig ist und so der logistische Aufwand entfällt, die riesigen Rotorblätter per Schiff heranschaffen zu müssen. Das Zentrum, das in einer Sonderwirtschaftszone liegt, soll ab 2030 in der Lage sein, eine Million Tonnen Grünen Wasserstoff pro Jahr zu produzieren. Ein Teil davon soll dafür verwendet werden, um die Industrieunternehmen vor Ort zu dekarbonisieren, der Rest soll in den Export gehen. Das Interesse jedenfalls ist groß. „Es gibt bereits 35 Unternehmen, die ein Memorandum of Understanding unterschrieben haben, um Wasserstoff herzustellen, darunter große Firmen wie Shell und BP“, sagt Araruna. „Es ist ein sehr vielversprechender Ort für Wasserstoff.“

Herausforderung Wasserknappheit

Doch es gibt auch limitierende Faktoren. Besonders gravierend ist die Wasserknappheit in der Region. „Man kann durchaus auf der Straße links und rechts grüne Vegetation sehen, aber ein paar Meter weiter halb wüstenähnliche Landschaften, mit Sanddünen und dergleichen“, schildert Ortmann seine Eindrücke. „Man braucht für die Wasserstoffproduktion nicht nur das Wasser, das sich per Elektrolyse aufspaltet in Wasserstoff und Sauerstoff, sondern man benötigt es auch für die Kühlung.“ Für das Projekt wurden verschiedene Optionen durchgerechnet. Etwa das Entsalzen von Meereswasser. Das ist kostspielig und stellt zudem eine Gefahr für die Umwelt dar, wenn die sehr salzhaltige Restflüssigkeit per Pipeline wieder ins Meer geleitet wird. Denkbar ist auch die Nutzung von aufbereitetem Brauchwasser. Dafür muss aber eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden.

„Aus unserer Sicht war das Projekt sehr erfolgreich“, sagt Ilona Daun, die beim DAAD für die Programmkoordination zuständig ist. „Die Kooperation zwischen dem brasilianischen und dem deutschen Partner hat gut funktioniert und sie besteht fort, man arbeitet weiter zusammen, das freut uns besonders.“

Verena Kern (4. Juli 2024)

 


 

Verwandte Themen