Prof. Dr. Julia Laffranque

Deutschland

Juristin

DAAD Jahresstipendium für Graduierte 1997-1998, Deutschland

Prof. Dr. Julia Laffranque

Prof. Dr. Julia Laffranque

Wenn Professorin Julia Laffranque in fließendem Deutsch über ihre Studienzeit in Hamburg, Münster und Kiel, über gute Kontakte zu deutschen Kolleginnen und Kollegen und ihre Dankbarkeit gegenüber dem DAAD spricht, wird klar: Die estnische Juristin ist im Februar 2021 gerne nach Deutschland zurückgekehrt. Als hoch angesehene Expertin für Europarecht hat sie die Stelle der Programmdirektorin an der Europäischen Rechtsakademie (ERA) in Trier übernommen. Zudem wurde sie zur stellvertretenden Direktorin der ERA bestimmt. „Wir fördern europaweit die Bildung von Juristinnen und Juristen in verschiedenen Gebieten des Europarechts“, erklärt sie. „Ich unterstütze die ERA hierbei fachlich, aber auch mit meinen zahlreichen Kontakten und meiner Erfahrung im Bereich der Digitalisierung.“

Die Zeit in Münster hat meine Weltanschauung verändert. – Julia Laffranque

 1994 reiste Laffranque nach Deutschland und absolvierte im Rahmen ihres Studiums der Rechtswissenschaften ein Austauschjahr an der Universität Hamburg. In der Elbmetropole lernte sie ihren zukünftigen Ehemann, den französischen Juristen Rodolphe Laffranque kennen. „Wir beschlossen, beide in Münster zu studieren und so habe ich dort meinen Magisterabschluss erworben“, erzählt sie. Der DAAD förderte 1997 und 1998 ihren Aufenthalt an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, mit dem sie die Weichen für ihre internationale Karriere stellte. „Ich habe Vergleiche zwischen dem deutschen, estnischen und europäischen Recht angestellt und dabei gelernt, wie man das Recht mit Hilfe von Rechtsprechung, Prüfungsschema und Fallstudien lehrt“, erinnert sie sich. „Das war fachlich und persönlich sehr wichtig für meinen Werdegang.“ Auch die deutsche Kultur und Arbeitsmoral habe sie tief beeindruckt und in ihren eigenen Werten bestärkt. „Die Zeit in Münster hat meine Weltanschauung verändert. Ich habe erfahren können, was es heißt, gesellschaftlich aktiv zu sein, sich für die Bürger Europas sowie für rechtliche, soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklungen, für Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen – das war in Estland bis in die 1990er Jahre nur schwer möglich gewesen.“  

Für ihre Arbeit als Beamtin im estnischen Justizministerium, die sie bereits 1996 übernommen hatte, war sie damit gut gerüstet: Laffranque bereitete als EU-Rechtsexpertin, später als stellvertretende Staatssekretärin, den Beitritt Estlands zur Europäischen Union mit vor. „Im Wesentlichen ging es darum, das estnische Rechtssystem und die Verfassung so anzupassen, dass es den europäischen Kriterien für Rechtsstaatlichkeit entspricht“, sagt sie. „Dafür habe ich auch mit deutschen Professoren zusammengearbeitet.“ Zudem war sie für den Juristischen Dienst der Europäischen Kommission, das deutsche Bundesverwaltungsgericht und den französischen Staatsrat tätig – und wurde 2004 zur Richterin am Obersten Gerichtshof Estlands ernannt. Gleichzeitig unterrichtete Laffranque von 1999 bis 2006 Europarecht der Universität Tartu, wo sie im Jahr 2003 promoviert und 2011 zur Professorin für Europarecht berufen wurde. „Mir macht es große Freude, junge Leute in ihrer Ausbildung zu unterstützen und sie zu einem kritischen Blick zu motivieren“, sagt sie. „Meine Vision von Europa ist, dass sich jeder an das Rechtsstaatsprinzip gebunden fühlt und auch das Europarecht dahingehend immer wieder überprüft wird. Europa sollte nicht nur die Staaten, sondern immer auch die Menschen miteinander verbinden und sie ins Zentrum stellen.“

Im Jahr 2011 folgte ein weiterer wichtiger Karriereschritt und der Umzug nach Straßburg: Als Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war Laffranque bis 2020 nicht nur für ihr Heimatland, sondern auch für Beschwerden aus Russland, der Türkei und vielen anderen Staaten des Europarats zuständig. „Aufgrund der immensen Anzahl von Fällen, dem zum Teil hohen Zeitdruck und der Komplexität war das eine große Herausforderung“, erinnert sie sich.

Ihr Einsatz für Europa und die Nachwuchsförderung findet Anerkennung: 2013 zeichnete sie die estnische Europabewegung als „Europäerin des Jahres“ aus; 2016 erhielt sie in Estland den Titel „beste Richter*innen-Ausbilderin“. „Der DAAD hat an diesem Erfolg seinen Anteil“, sagt Laffranque. „Noch heute profitiere ich von Kontakten, die ich damals knüpfen konnte, und von meinen guten Sprachkenntnissen. Die Arbeit des DAAD, seine Veranstaltungen und Alumnitreffen halte ich für sehr wertvoll.“

Stand: April 2021