Konsequente Weiterentwicklung der strategischen Partnerschaften

DAAD

Dr. Klaus Birk ist Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD und hält die Initiative „Europäische Hochschulen“ für sehr relevant

Der erste wichtige Schritt ist gemacht: 17 Hochschulnetzwerke wurden Ende Juni 2019 im Rahmen der ersten Pilotausschreibung der EU-Initiative „Europäische Hochschulen“ ausgewählt. Unter den insgesamt 114 Hochschuleinrichtungen aus 24 Mitgliedstaaten sind 15 deutsche Hochschulen in 14 Allianzen vertreten. Dr. Klaus Birk, Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD, sieht in der EU-Initiative eine institutionelle Intensivierung der strategischen Partnerschaften, die jetzt schon die Zusammenarbeit von Hochschulen bestimmt.

Wie ist die Relevanz der Initiative „Europäische Hochschulen“ aus Sicht des DAAD einzuschätzen?
Sehr hoch. Ich denke, die europäischen Hochschulnetzwerke sind eine konsequente Weiterentwicklung des DAAD-Programms „Strategische Partnerschaften und Thematische Netzwerke“. Damals hatten wir bei der ersten Ausschreibung für dieses Programm gleich 117 Bewerbungen. Das zeigt, dass wir offensichtlich einen Nerv bei den Hochschulen getroffen hatten, denen es nicht mehr darum geht, möglichst viele Partner in möglichst vielen Ländern zu haben, sondern ausgewählte Partnerschaften weiter zu intensivieren. Auch wenn sie sich auf Europa beschränkt, ist die Idee der Europäischen Hochschulen die konsequente Weiterführung dessen und passt gut zu dem aktuellen Bedarf an Kooperationen in strategischen Netzwerken und einem immer stärkeren Zusammenwachsen der Hochschulen, die sich als Hauptpartner ausgewählt haben.

Was unterscheidet die aktuelle EU-Initiative von den bisherigen Förderlinien?
Die Kommission erwartet von den Europäischen Hochschulen im Unterschied zu den strategischen Partnerschaften, dass die Hochschulen innerhalb der Verbünde nicht nur punktuell kooperieren, sondern auch als Institutionen stärker zusammenwachsen. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie sich bei der Einstellung von Professorinnen und Professoren abstimmen oder gemeinsame Abschlüsse vergeben. Dieser Prozess geht bis hin zu Überlegungen, gemeinsame Verwaltungsgremien zu schaffen.

Warum ist die Vision einer Europäischen Hochschule gerade jetzt so wichtig?
Wir erleben generell eine europäische Krise, die sich unter anderem im Brexit oder im Ausbruch von Nationalismen in mehreren Ländern äußert. Erasmus wird innerhalb der EU auch deshalb als eines der besten Programme angesehen, weil es viel für den europäischen Zusammenhalt getan hat. Vor diesem Hintergrund hat die Idee, dass sich die Europäischen Hochschulen verstärkt zusammentun und gemeinsam auftreten, auch einen gewissen politischen Stellenwert. Die akademische Tendenz zu strategischen Partnerschaften und das Bewusstsein, dass wir etwas für den europäischen Zusammenhalt tun müssen, fließen in den Europäischen Hochschulen zusammen. Weil hier das politische mit dem akademischen Interesse einhergeht, ist das Echo so groß.

Steht bei den Europäischen Hochschulen stärker die Exzellenz der Einrichtungen im Vordergrund, oder geht es darum, diese Allianzen auf eine breitere Basis zu stellen?
In der akademischen Welt gab es anfangs viele Vorstellungen zu dieser Frage. Der Kommission war es aber wichtig, dass alle europäischen Länder eine Chance haben teilzunehmen und dass die Netzwerke möglichst viele Hochschultypen und Regionen in Europa abdecken. So spiegeln es auch die 17 ausgewählten Allianzen wider. Es sind ganz unterschiedliche Hochschultypen dabei, beispielsweise auch Kunsthochschulen.

Welchen Beitrag leistet die Nationale Agentur des DAAD im Rahmen der Ausschreibungen?
Die nationale Agentur des DAAD berät die deutschen Hochschulen zu allen zentralen Maßnahmen des Erasmus+ Programms. Wir beraten sie intensiv bei ihren Antragsstellungen in Brüssel, um zu garantieren, dass sie damit erfolgreich sind. Das haben wir auch bei der Ausschreibung zu den Europäischen Hochschulen gemacht und verschiedene Informationsveranstaltungen in Bonn und Brüssel organisiert. Die Beteiligung von 15 deutschen Hochschulen in den ausgewählten Allianzen zeigt den Erfolg. Für die Antragsteller der zweiten Pilotausschreibung bieten wir am 23. Oktober erneut eine Informationsveranstaltung an.

Welchen Mehrwert sehen Sie für deutsche Hochschulen in einer Teilnahme an den Ausschreibungen?
Neben dem hohen politischen Stellenwert ist es auch ein Qualitätssiegel, wenn man als Hochschule dabei ist. Interessant ist, dass ich von mehreren Hochschulen gehört habe, der Prozess habe so viele Diskussionen unter den Partnerhochschulen in Gang gesetzt, dass sie auf jeden Fall weitermachen werden, auch wenn sie nicht von der EU gefördert werden. Die Hochschulen sind offensichtlich von der Idee, ihre strategischen Partnerschaften auf diese Weise innereuropäisch zu stärken, sehr begeistert. Das zeigt, dass sie in der Initiative wirklich einen Nutzen für ihre Internationalisierungsstrategie sehen.

Wird dadurch auch Europa als Studienort profitieren?
Ganz bestimmt. Wir haben schon im Rahmen von Erasmus+ ein „European Master Programme“, das einen Masterabschluss in mehreren europäischen Ländern ermöglicht. Das ist ein tolles Programm, das stark nachgefragt wird und an dem viele Studierende aus außereuropäischen Ländern teilnehmen. Wenn die Vision wahr wird, dass Studierende die freie Wahl zwischen den Veranstaltungen verschiedener Hochschulen haben und dafür später ein gemeinsames europäisches Abschlusszeugnis bekommen, wird das die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulstandorts deutlich steigern.

Interview: Britta Hecker (26. September 2019)